Corona Spezial - Werkvertrag im Faktencheck

Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit
in der Fleischwirtschaft ./. Faktenchecks

Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, kündigte ein Verbot von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft an. Auslöser hierfür war insbesondere eine Häufung von Corona-Fällen in mehreren fleischverarbeitenden Betrieben in den letzten Wochen. Es werden in breiten Teilen in der Öffentlichkeit Werkverträge und Zeitarbeit kritisiert:
  • Auftraggeber würden Werkverträge vergeben, um sich der Verantwortung zu entledigen. Man spricht von „organisierter Verantwortungslosigkeit“ (s. Faktencheck Auftraggeberhaftung).
  • Werkarbeitnehmer würden wie Sklaven behandelt. Sie seien rechtslos. Sie würden in Bruchbuden zwangseingewiesen und sie müssten unter katastrophalen Lebensbedingungen hausen (s. Faktencheck Rechtlose Werkarbeitnehmer).
  • Auftraggeber würden sich nicht um Werkarbeitnehmer kümmern, insbesondere bezüglich Arbeitszeit, Unterbringung, Überstunden, Entlohnung usw. Die Werkarbeitnehmer müssten stärker in die Auftraggeberbetriebe integriert werden, damit die Betriebsräte einen Zugang haben und die Einhaltung der Arbeitsbedingungen überwachen können. Daten der Werkarbeitnehmer würden nicht an die Behörden herausgegeben, um COVID-19-Fälle nachzuverfolgen (s. Faktencheck Warum sich Auftraggeber nicht um Werkarbeitnehmer kümmern).
Die Arbeitsgemeinschaft Werkverträge und Zeitarbeit und ihre Experten befassen sich seit vielen Jahren mit dieser Thematik. Im Rahmen der aktuellen Diskussion ist festzustellen, dass in großen Teilen, wohl aus Unwissenheit, unzutreffende Informationen verbreitet werden. Wir möchten die Diskussion versachlichen und stehen auch für Rückfragen bereit. Zu einzelnen Themen liefern wir daher einen Faktencheck.

Faktencheck 3 - Fehlende Unterstützung der Werkarbeitnehmer durch die Auftraggeber

In der Fleischwirtschaft arbeiten viele Menschen aus dem europäischen Ausland. Sie kommen nach Deutschland, um hier eine Zeit lang zu arbeiten und ihre Familien im Ausland zu unterstützen. Eingesetzt werden sie oft im Rahmen von Werkverträgen.
Die Arbeitsbedingungen und die Unterbringung der Werkarbeitnehmer in der Fleischindustrie stehen jedoch schon seit Jahren in der Kritik. Die Werkarbeitnehmer würden ihre Löhne nicht bekommen. Sie müssten unbezahlte Überstunden leisten. Urlaubstage würden gestrichen. Die Arbeit selbst fände im Akkord statt. Die Unterbringung sei miserabel und erfolge zu Wucherpreisen.
Schuld daran seien neben den Werkunternehmen die Auftraggeber. Diese würden sich aus ihrer Verantwortung stehlen, indem sie Werkunternehmen beauftragen. Sie würden sich auf das formelle Argument stützen, sie seien nicht der Arbeitgeber der Werkarbeitnehmer und daher nicht zuständig. Es wird daher bemängelt, dass Werkarbeitnehmer nicht stärker in die Betriebe integriert worden seien. Deshalb müsse man Werkverträge verbieten.
Allerdings wird dabei übersehen, dass die Medaille zwei Seiten hat. Einerseits ist es richtig, dass Auftraggeber formell nicht zuständig sind. Sie unterliegen lediglich der Auftraggeberhaftung für Mindestlöhne, Sozialabgaben und im Bereich des Arbeitsschutzes. Auf der anderen Seite ist es allerdings einem Auftraggeber auch verboten, sich einzumischen.
  • Wie kann es verboten sein, dass ein Auftraggeber sich um die Werkarbeitnehmer kümmert?

    Bevor auf diese Frage näher eingegangen wird, sei eines kurz vorab klargestellt. Es geht hier nicht darum, Missstände zu relativieren, sondern es geht darum, aufzuzeigen, wann ein Auftraggeber handeln darf und wann ihm ein saftiges Bußgeld droht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich Unternehmen entscheiden müssen, wie sie auf einem Markt agieren und den für das Unternehmen wirkungsvollsten Weg gehen. Dies sichert den Fortbestand des Unternehmens und die Arbeitsplätze der Stammbelegschaft. 


    In diesem Zusammenhang sind Unternehmen gut beraten, Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zu vermeiden und sich genau an geltendes Recht zu halten. Von daher stellt sich für jeden Unternehmer die Grundfrage, wie man Personal, sei es eigenes oder fremdes, einsetzt. Denn für jede Art von Personaleinsatz gelten andere Regeln. So gelten auch für den Einsatz von Werkverträgen besondere Regeln im Verhältnis zu den Stammbeschäftigten. Verletzt ein Auftraggeber diese, liegt eine Arbeitnehmerüberlassung vor. Diese ist regelmäßig illegal, da 

    1. eine Erlaubnis benötigt wird und 

    2. die Arbeitnehmerüberlassung als Werkvertrag bezeichnet wurde, § 1 Abs. 1 AÜG


    Beide stellen für sich genommen eine Ordnungswidrigkeit dar, § 16 Abs. 1 AÜG. Die Geldbuße beträgt jeweils bis zu 30.000,- €. Sie wird oft erhöht, weil in der Praxis mehrere Werkarbeitnehmer illegal über einen längeren Zeitraum eingesetzt wurden. Sie soll zudem den wirtschaftlichen Vorteil des Auftraggebers abschöpfen, § 17 Abs. 4 OWiG. Alternativ kann auch eine Einziehung des erlangten Wertes erfolgen, § 29a OWiG. In der Praxis kommt man hier schnell auf sechs- bis siebenstellige Beträge. 


    Kein Unternehmen möchte dieses Risiko eingehen. Am Anfang steht daher immer die unternehmerische Entscheidung, eigenes Personal einzusetzen, Werkarbeitnehmer einzusetzen oder Zeitarbeiter einzusetzen. An diese getroffene Entscheidung sollte sich das Unternehmen jeweils halten, will es Sanktionen vermeiden.

  • Am Anfang steht die unternehmerische Entscheidung Werkvertrag, Zeitarbeit oder eigene Leute – auch bei Kernprozessen?

    Wie soeben dargestellt, stellt sich für jeden Unternehmer die Frage, mit welchem Personal er einen Arbeitsprozess erbringt. Er kann Werkarbeitnehmer einsetzen, Zeitarbeiter oder eigene Leute. Grundsätzlich gilt 3 dies für alle Prozesse, auch für Kernprozesse. Doch darf man das Kerngeschäft auslagern? Die Antwort ist relativ einfach. Warum nicht!? Warum soll nicht ein KFZ-Meister, der in seinem Betrieb PKW repariert, nicht die PKW einer bestimmten Marke per Werkvertrag vergeben können? Legt der Kunde eines Umzugsunternehmens wirklich Wert darauf, dass die Möbelpacker bei der Umzugsfirma angestellt sind, oder ist es ihm egal, solange der Umzug erfolgt? 


    Warum soll ein Spediteur nicht Touren an einen anderen Spediteur vergeben können? Woraus ergibt sich, dass ein Fernsehsender alle Beiträge und Dokumentationen selbst produziert haben muss? Warum können Berichte und Beiträge in Zeitungen und Zeitschriften nicht von freien Journalisten geschrieben werden? Ändert sich etwa irgendetwas am Informationsgehalt? 

    Die Antwort ist jeweils einfach. Es bleibt jedem Unternehmer selbst überlassen, wie er seinen Betrieb führt. Auch das Bundesarbeitsgericht hat dies bereits vor über 30 Jahren festgehalten und führt im Beschluss vom 05.03.1991, 1 ABR 39/90 Folgendes aus:

     

    Es ist eine im arbeitsteiligen Wirtschaftsleben übliche Praxis, daß ein Arbeitgeber nicht alle zur Erreichung eines bestimmten Arbeitsergebnisses erforderlichen Arbeiten durch eigene Arbeitnehmer ausführen läßt, sondern Teilleistungen von Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages erbringen läßt. Dabei werden nicht nur Dienstleistungen aufgrund eines Dienstleistungsvertrages vielfach im Betrieb des Arbeitgebers zu erbringen sein. Auch das aufgrund eines Werkvertrages geschuldete Werk kann häufig nur im Betrieb des Arbeitgebers erstellt werden. 


    Die lesenswerte Entscheidung des BAG und auch die Folgeurteile sind voll von Beispielen, in denen Kernprozesse per Werk- oder Dienstvertrag ausgelagert werden. Auch in anderen Gerichtszweigen wird die Auslagerung anerkannt, etwa bei Strafgerichten, Zivilgerichten, Sozialgerichten und Verwaltungsgerichten. Sie alle respektieren den Einsatz von Werkverträgen, stellen aber zugleich auch Bedingungen für den korrekten Einsatz. 


    Dem folgt auch die juristische Literatur. So hält etwa der Standardkommentar von Prof. Schüren „AÜG“ 5. Auflage 2018 in § 1 Rn. 151 hierzu fest: 


    Andererseits gibt es keine gegenständliche Beschränkung der Fremdvergabe. Selbst im eigentlichen Kerngeschäft können dauerhaft anfallende Tätigkeiten prinzipiell auf der Grundlage eines Werkvertrags ausgelagert werden.


  • Was muss der Auftraggeber beim Einsatz von Werkverträgen beachten?

    Wenn sich ein Auftraggeber für den Einsatz von Werkverträgen entschieden hat, muss er auch die „Spielregeln“ einhalten, sonst wirft man ihm illegale Arbeitnehmerüberlassung vor. Die Frage, was er zu beachten hat, lässt sich damit beantworten, wenn man sich fragt, was eine Arbeitnehmerüberlassung ist. Dies bestimmt § 1 AÜG


    § 1 AÜG - Arbeitnehmerüberlassung, Erlaubnispflicht 

    1) … Arbeitnehmer werden zur Arbeitsleistung überlassen, wenn sie in die Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. 


    Dies hat beispielsweise das LG Oldenburg im Urteil vom 08.07.2004, 2 KLs 65/04 so gesehen, wo es

    ausführte: 


    Zudem war dem Angeklagten bewusst, dass die Arbeitnehmer der Firmen E und P nicht in der Lage waren, wie vorgegeben ein eigenständiges Werk zu erbringen, sondern dass sie vollständig in die Produktion der 4 D eingegliedert waren und aufgrund von konkreten Arbeitsanweisungen der Meister der D ihre Arbeit verrichteten. 


    Aufgrund dieser Umstände sind die Leistungen der rumänischen Arbeiter nicht als Leistung zur Erbringung eines Werkes anzusehen, sondern als unzulässige Arbeitnehmerüberlassung. 


    Die Arbeitnehmerüberlassung (oder auch Zeitarbeit oder Leiharbeit) wird also maßgeblich dadurch bestimmt, dass die Zeitarbeiter in den Betrieb des Auftraggebers eingegliedert sind und seinen Weisungen unterliegen. Beim Werkvertrag muss der Auftraggeber somit aufpassen, dass die Werkarbeitnehmer gerade nicht eingliedert sind und nicht seinen Weisungen unterliegen. Die Abgrenzung in der Praxis ist äußerst schwierig und ist Gegenstand einer Vielzahl von Entscheidungen. 


    Eine Faustformel bietet hier die Abgrenzung zum normalen Handwerker. Man muss sich also die Frage stellen, was kann von ihm verlangt werden und was bleibt ihm selbst bzw. seinem Arbeitgeber überlassen? Es kann beispielsweise der Erfolg seiner Leistung oder ein Termin für die Vornahme bestimmt werden. Die konkrete Arbeitszeit des Handwerkers, ob das Handwerksunternehmen einen Meister oder einen Gesellen einsetzt, die Arbeitsweise des eingesetzten Arbeiters hingegen bleibt dem Unternehmer selbst überlassen. 


    Bei einem Werkvertrag unterliegen arbeitsrechtliche Themen somit ausschließlich dem Arbeitgeber. Dies betrifft insbesondere Zeiterfassung, Urlaubsansprüche, Vergütung und Unterkunft. Eine Ausnahme hiervon liegt nur dann vor, wenn dies öffentlich-rechtlich angeordnet wird. 


    Ein Eingreifen des Auftraggebers in diesen Bereichen hat schwerwiegende Folgen, denn die Personalhoheit obliegt ausschließlich dem Arbeitgeber. Aus diesem Grund prüft der Zoll, ob sich Auftraggeber zu sehr einmischen. Wenn der Zoll dies bejaht, nimmt er eine illegale Arbeitnehmerüberlassung an.


  • Wann sieht es der Zoll kritisch, wenn sich Auftraggeber um die Werkarbeitnehmer kümmern?

    Sieht man sich die Vorwürfe an und gleicht sie mit den Kriterien ab, die der Zoll anlegt, zeigt sich sehr schnell, dass Auftraggeber gut beraten sind, sich zurückzuhalten. 


    Arbeitszeit und Überstunden

    Wesentlich für einen Werkvertrag ist die eigenverantwortliche Organisation der Tätigkeit durch das Werkunternehmen. Dies umfasst insbesondere auch die Bestimmung der Arbeitszeiten inklusive der Anordnung von Überstunden. Dies zeigt auch die Gegenprobe am Beispiel des Handwerkers. Wer sein Auto zur Reparatur bringt oder den Elektriker im Haus hat, überwacht nicht seine Arbeitszeit, ob er die Pausen eingehalten hat, Überstunden geleistet, ob er die Ruhezeiten zwischen den Arbeitstagen eingehalten oder ob er die wöchentliche Höchstarbeitszeit schon überschritten hat. Aus diesem Grunde ordnet die Rechtsprechung auch die Organisation der Arbeitszeit durch den Auftraggeber als illegale Arbeitnehmerüberlassung ein. So führt beispielsweise das LAG Baden-Württemberg im Urteil vom 01.08.2013, 2 Sa 6/13, im Falle eines weltweit agierenden Autobauers aus: 


    Jedenfalls seit Beschäftigungsbeginn im Geschäftsbereich ITI/EH in den Jahren 2006 bzw. 2007 sind den Kl. ein bestimmter Ort, bestimmte Arbeitszeiten und ein bestimmter vertraglicher Inhalt vorgegeben gewesen. 


    Sie haben innerhalb festgelegter Servicezeiten (Montag bis Freitag 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr) ihre Tätigkeit verrichtet; regelmäßige Abweichungen von diesen vorgegebenen Arbeitszeiten sind angesichts von fest zugewiesenen Geschäftsbereichen (s. u.) nicht möglich gewesen. Es hat grundsätzlich Anwesenheitspflicht bestanden. 


    Daraus folgt, dass auch die Pflicht und das Recht zur Zeiterfassung bezüglich der Werkarbeitnehmer ausschließlich dem Arbeitgeber und NICHT dem Auftraggeber obliegt. Ein (Mit-) Wirken des Auftraggebers in diesem Bereich spricht gegen einen Werkvertrag und für eine illegale Arbeitnehmerüberlassung. 


    Zu den Urlaubsansprüchen

    Werkarbeitnehmer sind nicht in den Betriebsablauf des Auftraggebers eingegliedert und somit auch nicht in die Urlaubsplanung. Auch dieser Aspekt unterliegt ausschließlich dem Arbeitgeber. Auch hier zeigt die Gegenprobe zum Handwerker, ob sich Auftraggeber einmischen dürfen. So mag man zwar mit einem Handwerker über den letzten Urlaub sprechen. Allerdings wenden sich diese wegen Urlaubswünschen nicht an den Kunden, sondern ihren eigenen Arbeitgeber. So sieht es auch die Rechtsprechung kritisch. So etwa im bereits erwähnten Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 01.08.2013: 


    Zwischen den Parteien steht auch außer Streit, dass beide Kl. in diesen Projekten ihre krankheitsbedingten Fehlzeiten und Urlaubsplanungen gegenüber den Ansprechpartnern der Bekl. mitgeteilt haben. 


    Aus diesem Grunde nahm das LAG eine illegale Arbeitnehmerüberlassung an. Auftraggeber, die sich rechtstreu verhalten möchten, sollten daher von der Urlaubsplanung die Finger lassen. 


    Zur Vergütung 

    Höhe und Art der Vergütung unterliegt ebenfalls der Rechtsbeziehung zwischen Werkunternehmer und Werkarbeitnehmer. Die Werkarbeitnehmer haben ihren Anspruch auf Arbeitsentgelt grundsätzlich gegenüber dem Arbeitgeber. Gemäß § 13 MiLOG und § 14 AEntG können sich die Arbeitnehmer zwar direkt an den Auftraggeber wenden, wenn ihnen der Mindestlohn nicht gezahlt wurde. 


    Allerdings ist dem Auftraggeber eine lückenlose Kontrolle nicht erlaubt. Hierfür wäre es nämlich erforderlich, dass ihm die Arbeitszeiten der Werkarbeitnehmer bekannt sind. Mit diesen sollte er jedoch so wenig wie möglich zu tun haben, um nicht in den Verdacht einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung zu gelangen. Aus diesem Grunde empfehlen übrigens auch Rechtsanwälte Auftraggebern regelmäßig, Werkunternehmern keinen Zugriff auf das Arbeitszeiterfassungssystem zu geben. 


    Zum Datenschutz 

    Seitens des Auftraggebers besteht kein Bedarf, persönliche Daten der Werkarbeitnehmer aufzunehmen, denn gemäß Art. 5 c) Datenschutz-Grundverordnung muss die Aufnahme personenbezogener Daten auf ein notwendiges Maß beschränkt werden. 


    Die Aufnahme solcher Daten steht folglich ausschließlich dem Arbeitgeber und somit dem Werkunternehmer zu. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich dann, wenn der Auftraggeber mittels einer öffentlich-rechtlichen Pflicht hierzu verpflichtet/berechtigt wurde. Gibt es sie nicht, droht ein saftiges Bußgeld. 


    Zur Arbeit im Akkord 

    Ebenfalls maßgeblich für einen Werkvertrag ist die ergebnisbezogene Vergütung und keine Abrechnung nach Zeiteinheiten. Zwar gibt es Urteile, die eine Abrechnung nach Zeiteinheiten zulassen. Allerdings sieht dies die Bundesagentur für Arbeit kritisch. So führt sie in ihrem Merkblatt zur Abgrenzung von illegaler Arbeitnehmerüberlassung und Werkverträgen aus: 


    Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sind grundsätzlich für einen Werkvertrag folgende Merkmale maßgebend: 

    • Ergebnisbezogene Vergütung, grundsätzlich keine Abrechnung nach Zeiteinheiten. 

    Aus diesem Grunde werden gerade in der Produktion oft Stück- oder Kilopreise als Werkvergütung geschuldet. Dies führt dann dazu, dass das Werkunternehmen nach Akkord vergütet wird und die Werkarbeitnehmer im Akkord arbeiten müssen. Würde die Politik die Abrechnung nach Zeiteinheiten ausdrücklich zulassen, ließe sich dieses Problem entschärfen.


FAZIT:
Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass Auftraggeber mit guten Gründen sich nicht um die Belange der Werkarbeitnehmer kümmern. Es drohen ihnen sonst hohe Bußgelder und der Vorwurf illegalen Verhaltens. In der Praxis ist es auch nicht erforderlich, da aufgrund der weitreichenden Auftraggeberhaftung die Löhne und Sozialabgaben für die eingesetzten Werkarbeitnehmer gesichert sind.

Es besteht soweit ein in sich geschlossenes Rechtssystem, innerhalb dessen sich die Auftraggeber bewegen müssen und bewegen dürfen, das Rechtsverstöße sanktioniert und gleichzeitig die Werkarbeitnehmer angemessen schützt.

Bevor man also die Untätigkeit der Auftraggeber anprangert, sollte man ihnen erst einmal die Chance geben etwas zu tun. Erst wenn man diese Chance einräumt und diese von Auftraggeberseite ungenutzt verstreichen lässt, kann man die Moralkeule schwingen.

Faktencheck 2 - Rechtlose Werkarbeitnehmer

Gewerkschafter sprechen von „unhaltbaren Zustände, unter denen die Beschäftigten von Werkvertragsunternehmen in der Fleischindustrie schon jahrelang arbeiten und leben müssen“. Auch Politiker fordern eine Verschärfung der Regelungen, „um die Ausbeutung in der Fleischindustrie zu stoppen".
Es ist nicht abzustreiten, dass die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zum Teil Missstände aufweisen. Aber haben Werkarbeiter wirklich keine Rechte, Entscheidungsfreiheiten und Möglichkeiten, oder existieren Vorschriften, welche die Arbeitnehmer schützen? Wäre Letzteres so, würde ein Verbot von Werkverträgen helfen?
Um die Frage zu beantworten, ob ein Werkarbeitnehmer keine Rechte hat, ist zwischen Werkverträgen mit deutschen und ausländischen Firmen zu unterscheiden:
  • Die Rechte von Werkarbeitnehmern bei deutschen Werkunternehmen

    Für Werkarbeitnehmer deutscher Werkunternehmen sind alle deutschen Rechte anwendbar, wie zum Beispiel die Regelungen bezüglich Mindestlohn, Arbeitsschutz, Arbeitszeit, Urlaub und Kündigungsschutz. Es gibt weiterhin keine „Zwangseinweisung“ in irgendwelche Unterkünfte. Werkarbeitnehmer mit deutschem Arbeitsvertrag dürfen, wie alle anderen Arbeitnehmer auch, frei entscheiden, wo und wie sie wohnen.

    Die Werkarbeitnehmer sind auch nach deutschem Recht sozialversichert. Ihnen stehen damit die gleichen sozialen Rechte zu, wie allen anderen Arbeitnehmern mit deutschem Arbeitsvertrag. Es werden für sie Beiträge in die deutsche Rentenkasse eingezahlt. Sind sie krank, können sie zu einem Arzt ihrer Wahl gehen. Bei Arbeitsunfällen springt die jeweilige Berufsgenossenschaft als Unfallversicherung ein. Sie zahlen in die Arbeitslosenversicherung ein und haben deshalb auch Ansprüche aus der Arbeitslosenversicherung und Ansprüche auf ALG II. 

    Inwieweit Werkarbeitnehmer deutsche Arbeitsverhältnisse haben, können wir von unserer Seite nicht sagen. Allerdings gibt es auch hierzu Erhebungen, aus denen sich Rückschlüsse ziehen lassen. So wurde 2015 eine Selbstverpflichtung mit Unternehmen der Fleischwirtschaft abgeschlossen. Diese Selbstverpflichtung ist von vielen Seiten als unzureichend umgesetzt kritisiert worden und sie sei wirkungslos. Sieht man sich hingegen die entsprechenden Berichte an, die nach Ziffer 1 der Selbstverpflichtung an das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales übermittelt werden, zeichnet sich ein anderes Bild ab. Diese Berichte stellen auf öffentlich zugängliche Statistiken und Zahlen ab, z.B. der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (BGN). So ergibt sich aus dem Bericht aus 2016 (S. 11) auf Basis der Daten der BGN, dass 2015 etwa 7.000 Beschäftigte mehr innerhalb der Kategorie F4, Ausbeiner, Zerleger, Lohn- und Kopfschlachter einschließlich verbundene Dienst- oder Werkleistungen zu verzeichnen waren als 2015. Nach unseren juristischen Erfahrungen werden Werkunternehmen regelmäßig in dieser Kategorie erfasst. Bis heute setzt sich dieser Trend fort. So waren nach dem 4. Bericht auf S. 2 im Jahr 2018 fast 30.000 Mitarbeiter (29.955 Mitarbeiter) in dieser Kategorie F4 bei der BGN gemeldet. Interessant ist aber auch ein Hinweis im ersten Bericht, dass sich Werkarbeitnehmer gegen eine Umstellung in das deutsche Sozialversicherungssystem gewendet haben sollen, da dies bei ihnen zu Nettoeinbußen führte. Die Entsendung aus vielen osteuropäischen Staaten war privilegiert, da ein Teil der Löhne nicht der Sozialversicherung unterlag. Dies führte bei Werkarbeitnehmern zu einem höheren Nettoeinkommen, das mit der Umstellung auf das deutsche Sozialversicherungsrecht wegfiel. 

    Auch wir haben die Erfahrung gemacht, dass Werkarbeitnehmer hauptsächlich nach deutschem Sozialversicherungsrecht versichert sind. Im Rahmen unserer bundesweiten Audits befragen wir die Werkarbeitnehmer mittels gerichtlich vereidigter Dolmetscher zu ihren Arbeitsbedingungen. Hierbei treffen wir fast nur auf Werkarbeitnehmer, die in Deutschland sozialversichert sind.


  • Die Rechte von Werkarbeitnehmern bei ausländischen Werkunternehmen

    Es sind allerdings auch Werkverträge mit nicht-deutschen Firmen möglich, bei denen grundsätzlich das Arbeitsrecht des Heimatlandes anzuwenden ist. Allerdings bestimmt das höherrangige EU-Recht aber auch, dass doch deutsches Recht anwendbar ist, wenn sich der gewöhnliche Arbeitsort in Deutschland befindet (Art. 8 Abs. 1 Rom I-VO). Sollte dies im konkreten Fall nicht zutreffen, existieren zusätzlich dazu weitere Vorschriften in § 2 AEntG, welche IMMER und für JEDEN Arbeitnehmer, der in Deutschland tätig wird, einzuhalten sind und alles Wesentliche abdecken. Somit gelten auch für ausländische Arbeitsverhältnisse in Deutschland die Regelungen über Mindestlöhne, den bezahlten Mindestjahresurlaub, Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten, Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz, Mutterschutz sowie Nichtdiskriminierungsbestimmungen. Da diese Vorschriften zudem oft auf EU-Richtlinien beruhen, gelten deren wesentliche Grundzüge auch im Heimatland der Werkarbeitnehmer.

    Sozialversichert sind solche Werkarbeitnehmer ebenfalls nach ausländischem Recht, nämlich nach dem Recht des Heimatlandes. Für ihren Einsatz in Deutschland erhalten sie eine europäische Krankenversicherungskarte. Mit dieser können sie sich ärztlich in Deutschland behandeln lassen.

    Der soziale Schutz ausländischer Arbeitnehmer entspricht damit im Wesentlichen dem sozialen Schutz deutscher Werkarbeitnehmer, mit der Maßgabe, dass sie sozialversicherungsrechtlich ihrem Heimatland zugeordnet bleiben. Dies sehen entsprechende europarechtliche Regelungen genauso auch vor (s. Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009). 


  • Das Problem vieler ausländischer Werkarbeitnehmer ist die Sprachbarriere

    Da sowohl ausländische als auch deutsche Werkarbeitnehmer in Deutschland rechtlichen Schutz genießen, stellt sich die Frage, wie es zu den Missständen kommen kann. Das Hauptproblem dürfte die Sprachbarriere sein. Werkarbeitnehmer leben oft nur eine gewisse Zeit im Land des Einsatzortes, um Geld anzusparen und kehren dann in ihr Heimatland zurück. Folglich sprechen die ausländischen Werkarbeitnehmer oft nicht dieselbe Sprache, wie die Mitarbeiter des Auftraggebers, was natürlich die Kommunikation erschwert.  Um diesem Problem Herr zu werden, bestellt das Werkunternehmen in der Praxis grundsätzlich einen Vorarbeiter. Dieser spricht die Heimatsprache der ausländischen Werkarbeitnehmer sowie die deutsche Sprache und dient dadurch als „Vermittler“ zwischen beiden Unternehmen. Erst hierdurch haben ausländische Werkarbeitnehmer die Möglichkeit, in Deutschland tätig zu werden. Rechtlich dürfen sie dies zwar, rein faktisch wird es immer wieder an der Sprachbarriere scheitern. Denn wer hier arbeiten will, muss Stellenangebote sichten, Bewerbungen schreiben, eine Wohnung finden, ein Bankkonto eröffnen, sich beim Einwohnermeldeamt anmelden usw. Für jemanden, der kein Wort Deutsch spricht, wird dies schwierig. Über einen Werkvertrag ist dies hingegen möglich, auch ohne dass der Werkarbeitnehmer ein Wort Deutsch spricht. Ihr Arbeitgeber spricht nämlich ihre Sprache, kümmert sich um die Unterkunft, Behördengänge, Transport zur Arbeit usw. Zudem erhalten sie ihre Arbeitsanweisungen in ihrer Heimatsprache, und in der Freizeit können sie mit ihren ausländischen Kollegen in ihrer Sprache kommunizieren. 

    Problematisch wird dies allerdings dann, wenn die Sprachbarriere von unseriösen Werkunternehmen ausgenutzt wird. Dann werden ausländischen Werkarbeitnehmern ihre Rechte vorenthalten. Allerdings haben sie auch hier Möglichkeiten, um gegen Rechtsverletzungen vorzugehen: 

    Ein Beispiel ist das DGB-Projekt „Faire Mobilität“, dessen Homepage auf mehreren Sprachen gelesen werden kann. Dort ist weiterhin eine Hotline zu finden, unter der sich Werkarbeitnehmer in ihrer Sprache über ihre Rechte informieren und Hilfe suchen können. Das Projekt soll dauerhaft finanziell und rechtlich abgesichert werden, um ausländischen Beschäftigten ein unabhängiges und umfassendes Beratungs- und Informationsangebot in ihrer Sprache zu stellen (Eckpunkte des Bundeskabinetts zum Arbeitsschutz, Nr. 5). Ein weiteres Beispiel sind die Beratungsstellen für mobile Beschäftigte in Niedersachsen, welche von der Landesregierung eingerichtet wurden. Sie unterstützen mobile Beschäftigte beim Einsatz für sichere und faire Arbeitsbedingungen, indem sie Menschen aus ganz Europa bei Fragen rund um Arbeit und Leben informieren und beraten.


FAZIT:
Als Fazit bleibt damit festzuhalten, dass Werkarbeitnehmer deutscher Werkunternehmen die gleichen Rechte haben wie andere Arbeitnehmer auch. Werkarbeitnehmer ausländischer Werkunternehmen haben im Wesentlichen die gleichen Rechte. Problematisch ist in der Praxis die Sprachbarriere. Hier muss die Politik ansetzen, denn ein Verbot von Werkverträgen löst nicht dieses Grundproblem. Werkarbeitnehmer müssen daher besser integriert werden und die Hilfsangebote ausgebaut werden.

Faktencheck 1 - Auftraggeberhaftung

Gewerkschafter und Politiker sprechen im Zusammenhang mit Werkverträgen in der Fleischwirtschaft von "organisierter Verantwortungslosigkeit“. Durch Werkverträge können Unternehmen bestimmte Arbeiten komplett durch anderen Firmen ausführen lassen. Hierdurch können allerdings auch „Ketten“ entstehen, bei denen die Kontrolle erschwert und organisiert Verantwortung abgewälzt würde, sodass niemand mehr verantwortlich gemacht werden könne.
Doch ist das wirklich so?
  • Zur Auftraggeberhaftung beim Mindestlohn

    Besonders die Einhaltung des Mindestlohns steht in der Kritik. Sollte ein Werkarbeitnehmer diesen nicht erhalten, ist die Haftung allerdings ganz klar geregelt. Gemäß § 13 MiLOG und § 14 AEntG haftet der Auftraggeber. Und zwar auch für die Verpflichtungen der von ihm beauftragten Unternehmen sowie dessen Nachunternehmen (sog. Kettenhaftung). Der Auftraggeber haftet folglich nicht nur für solche Arbeitnehmer, die mit dem Auftragnehmer in einem Arbeitsverhältnis stehen, sondern auch für alle von diesem eingesetzte Subunternehmen und deren Arbeitnehmer wie ein Bürge. Dies betrifft also Werkarbeitnehmer und Zeitarbeiter gleichermaßen, die irgendwo in der Kette eingesetzt werden. Die Arbeitnehmer können sich direkt an den Auftraggeber wenden, wenn ihnen der Mindestlohn nicht gezahlt wurde und müssen sich nicht einmal zunächst an ihren eigenen Arbeitgeber halten. 

  • Zur Auftraggeberhaftung bei Sozialabgaben

    Auch die Haftung bei fehlenden Sozialversicherungsbeiträgen ist ganz klar in § 3 GSA Fleisch geregelt. Den Gesamtsozialversicherungsbetrag hat zwar grundsätzlich der Arbeitgeber zu tragen (§ 28e Abs. 1 SGB IV). Für die Erfüllung dieser Zahlungspflicht haftet allerdings im Falle eines Werkvertrages zusätzlich der Auftraggeber wie ein Bürge. Diese Haftung gilt zwar zunächst für das direkte Werkunternehmen und nicht für eine Subunternehmerkette. Allerdings hat auch hier der Gesetzgeber vorgebeugt und regelt in § 28e Abs. 3e SGB IV, dass bei Umgehungen mittels einer Kette die Haftung bestehen bleibt. Über § 3 GSA Fleisch gilt dies ebenfalls für die Fleischwirtschaft. 

  • Zur Auftraggeberhaftung im Bereich des Arbeitsschutzes

    Weiterhin werden bezüglich des Arbeitsschutzes immer wieder Bedenken geäußert, der Auftraggeber stehle sich aus der Verantwortung. Aber auch diese Bedenken sind aus rechtlicher Sicht unbegründet. § 8 ArbSchG besagt, dass die Unternehmer bei der Durchführung der Sicherheits- und Gesundheitsschutzbestimmungen zusammenarbeiten müssen. Soweit erforderlich, haben sie sich gegenseitig und ihre Beschäftigten über die mit den Arbeiten verbundenen Gefahren für Sicherheit und Gesundheit zu unterrichten sowie Maßnahmen zur Verhütung dieser Gefahren abzustimmen.

    In der Praxis kommt diese Haftung ebenfalls zum Tragen. So hatte beispielsweise das OLG Koblenz in seinem Urteil vom 13.12.2018 – 1 U 296/18 einen Fall zu beurteilen, in dem ein Fremdfirmenarbeiter sich auf einem Betriebsgelände des Auftraggebers schwer verletzt hatte. Zum besagten § 8 ArbSchG führt das OLG aus: 

    Für die Anwendbarkeit des § 8 ArbSchG ist es ohne Belang, wie die Arbeitgeber untereinander rechtlich verbunden sind. Die Zusammenarbeit kann auch – wie im vorliegenden Fall – auf einem Dienst- oder Werkvertrag beruhen und in dem Betrieb eines der beteiligten Arbeitgeber stattfinden.

    Praktisch durchgesetzt wird dies unserer Erfahrung nach durch die Berufsgenossenschaften. Die DGUV Vorschrift 1 der Berufsgenossenschaften besagt hierzu in § 6, dass grundsätzlich sog. Arbeitsschutzkoordinatoren zu bestimmen sind, welche die Arbeiten abstimmen und zur Abwehr besonderer Gefahren mit einer entsprechender Weisungsbefugnis ausgestattet sind. Nach § 26 DGUV Vorschrift 1 müssen zudem ausreichend Ersthelfer von den Unternehmen gestellt und ausgebildet werden. In der Praxis erkennen wir diese Ersthelfer regelmäßig an grünen Emblemen auf der Brust. Diese werden nach unseren Erfahrungen sowohl vom Werkunternehmen, als auch vom Auftraggeber gestellt. Werden diese Vorschriften vom Auftraggeber und/oder dem Werkunternehmen nicht eingehalten, gibt es Auflagen seitens der zuständigen Berufsgenossenschaft und es droht die Haftung bei Arbeitsunfällen nach § 8 ArbSchG. 


  • Zur Auftraggeberhaftung für Unterkünfte

    Zuletzt beleuchten wir noch die Haftungsregelungen hinsichtlich der Unterkünfte von Werkarbeitnehmern. Grundsätzlich gibt es hier keine Regelungen. Allerdings können gemäß § 5 Nr. 4 AEntG mittels eines Tarifvertrages die Anforderungen an die Unterkünfte der Werkarbeitnehmer festgelegt werden, wenn sie vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. Verstöße stellen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einem Bußgeld von bis zu 500.000 € gegenüber dem Auftraggeber geahndet werden können (§ 23 Abs. 2 und 3 AEntG). Die Tarifparteien haben es somit selbst in der Hand, dass die Regelungen zu Unterkünften geschaffen werden. Bestehen derartige Regelungen, können sie auch vom Zoll auf deren Einhaltung überprüft werden. 

    Als problematisch könnte in diesem Zusammenhang angesehen werden, dass Tarifverträge bundesweit anwendbar sein müssen. Allerdings existiert hierfür bereits ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 21.02.2020 (BR Drucksache 84/20,  § 13b), der diese Problematik künftig regeln soll. Demnach sollen die am Beschäftigungsort in Rechts- und Verwaltungsvorschriften und allgemeinverbindlichen Tarifverträgen vorgeschriebenen Regelungen – mit wenigen Ausnahmen – auch auf solche Arbeitnehmer anwendbar sein, die mehr als zwölf Monate bei einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber beschäftigt sind. Dabei werden, um Umgehungen zu vermeiden, Vorbeschäftigungszeiten anderer Arbeitnehmer angerechnet. Somit kann dies künftig auch durch regionale Tarifverträge umgesetzt werden. Diese können dann auch die Unterkünfte betreffen. 


FAZIT:
Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bereits umfassende gesetzliche Regelungen für eine Haftung der Auftraggeber bestehen. Um ihren Lohn geprellte Werkarbeitnehmer können ihre Mindestlohnansprüche beim Auftraggeber geltend machen. Auch die Sozialkassen können sich bei Ausfällen an die Auftraggeber halten. Ebenso ist der Auftraggeber im Bereich des Arbeitsschutzes für die Sicherheit und Gesundheit der auf seinem Gelände tätigen Arbeitnehmer verantwortlich, egal ob es sich um eigene Arbeitskräfte, Werkarbeitnehmer oder Zeitarbeiter handelt. Lediglich bei den Unterkünften gibt es faktisch noch keine Auftraggeberhaftung. Der Gesetzgeber lässt dies jedoch zu, wenn die Tarifparteien Regelungen für Unterkünfte aufstellen.
Wir haben es hier folglich nicht mit einem Regelungsdefizit, sondern wenn überhaupt nur mit einem Umsetzungsdefizit zu tun. Die Gesetzeslage ist eindeutig und gibt das nötige Handwerkszeug, um (auch) in der Fleischindustrie „durchzugreifen“, die Einhaltung von Regelungen und Vorschriften zu sichern und bei Verstößen zu reagieren.

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