230920 Wann haften Verleiher für ihr Personal - Urteil des LG Berlin

Wann haften Verleiher für ihr Personal – Urteil des LG Berlin


Wenn Vertragsparteien einen Werkvertrag oder Dienstvertrag durchführen, kommt es immer wieder vor, dass der Vorwurf erhoben wird, der Vertrag sei nur zum Schein abgeschlossen worden. Tatsächlich hätten sie eine verdeckte und damit illegale Arbeitnehmerüberlassung durchführen wollen. Im Fall der dem LG Berlin zugrunde lag, drehte eine Versicherung den Spieß herum. Hier wurde ein Personaldienstleister für Schäden seines Zeitarbeiters mit der Begründung in Anspruch genommen, hier läge ein verdeckter Dienstvertrag vor.


Sachverhalt: Haftet ein Personaldienstleister für die schlechte Leistung seines Zeitarbeiters während der Überlassung?


Im vorliegenden Fall klagte eine Haftpflichtversicherung aufgrund eines Unfalls während eines Verleihs. Die Versicherung ist die Klägerin und hatte sich die Ansprüche ihrer Versicherungsnehmerin, der Entleiherin, abtreten lassen. Die Versicherungsnehmerin ist ein privates Eisenbahnverkehrsunternehmen mit einem Schwerpunkt im Transport von Kohle, Baustoffen und anderen Gütern. Sie schloss mit einem Personaldienstleister, der auf den Personalbedarf von Eisenbahnunternehmen spezialisiert war, einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag. In dem Vertrag wurde die Versicherungsnehmerin als Entleiher und der Dienstleister als Verleiher bezeichnet.


Am 23.04.2016 wurden 40 leere Wagons unter Beteiligung des Zugführers, einem Zeitarbeiter des Personaldienstleisters, im Gleis abgestellt. Der erste Wagen hinter dem anbringenden Triebfahrzeug in Fahrtrichtung rechts wurde mit 4 Hemmschuhen von den Rangierbegleitern, zwei Mitarbeitern des Entleihers, gesichert. Am 26.04.2016 wurden vom Zugführer, einem weiteren Zeitarbeiter des Personaldienstleisters, unter Beteiligung von zwei Rangierbegleitern des Entleihers 11 weitere Wagen samt Triebfahrzeug an die bereits abgestellten 40 Wagen gekuppelt. Eine Bremsprobe wurde nicht durchgeführt.


Die Klägerin ging von der Schuld des Zugführers aus: Hätte er ordnungsgemäß eine vollständige Bremsprobe durchgeführt, hätte er die Hemmschuhe entdecken müssen. Außerdem meinte die Klägerin, bei dem Vertrag zwischen ihrer Versicherungsnehmerin und der Beklagten habe es sich um einen Dienstvertrag gehandelt. Aus diesem Grund begehrte die Klägerin von dem Personaldienstleister Zahlungen aus übergegangenem Recht des Entleihers, und forderte ihn auf, 1.023.363,06 € nebst Zinsen zu zahlen.


Entscheidung: Personaldienstleister haftet nicht für eine Schlechtleistung eines Zeitarbeiters


Hierzu führte das LG aus, dass das zwischen der Versicherungsnehmerin und der Beklagten zum Zeitpunkt der Entgleisung bestehende Vertragsverhältnis ein Arbeitnehmerüberlassungsvertrag war.


Maßgebliches Kriterium für eine Arbeitnehmerüberlassung ist vor allem die arbeitsbezogene Weisungsbefugnis des Entleihers gegenüber dem ihm zum Arbeitseinsatz überlassenen Arbeitnehmer. Verbunden damit hat der Entleiher als Empfänger der Arbeitsleistung einen unmittelbar gegen den Arbeitnehmer des Personaldienstleisters gerichteten Anspruch auf Erbringung der Arbeitsleistung. Damit ist insbesondere seine Befugnis verknüpft, im Wege des Direktionsrechts die vom Arbeitnehmer geschuldete Leistung zu konkretisieren. Dagegen beschränkt sich die Pflicht des Personaldienstleisters darauf, arbeitsbereite und arbeitsfähige Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.

Weiterhin stellte das LG fest, dass der objektive Inhalt des Vertrages eindeutig zur Annahme eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages führt. Hierzu nannte das LG folgende Indizien aus dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag:


  1. Bezeichnung des Vertrages als Willenslage der Partei
  2. Beschreibung des Gegenstandes des Vertrages, in der von Überlassung der Zeitarbeiter gesprochen wird
  3. Bestimmung des Einsatzortes und der Dienstzeiten seitens des Entleihers
  4. Weisungsbefugnis des Entleihers 
  5. Integrierung des Zeitarbeiters in den Arbeits- und Organisationsablauf des Entleihers


Das LG kam zu dem Ergebnis, dass alle von der Klägerin bezüglich der konkreten Handlungen des Zugführers geltend gemachten Pflichtverletzungen dem Personaldienstleister nicht zugerechnet werden können. Denn im Rahmen eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages haftet der Personaldienstleister grundsätzlich nicht für eine Schlechtleistung des Zeitarbeiters, sondern nur für ein Auswahlverschulden.

Eine Haftung des Personaldienstleisters gegenüber Dritten scheidet grundsätzlich aus Grundsätzlich scheidet eine Haftung des Personaldienstleisters gegenüber Dritten stets aus, da der Zeitarbeiter weder Erfüllungsgehilfe noch Verrichtungsgehilfe des Personaldienstleisters ist. Nur wenn er einen nicht ordnungsgemäß ausgewählten Zeitarbeiter überlassen hat, kann der Entleiher gegebenenfalls Regressansprüche geltend machen. Das bedeutet, dass das gesetzliche Leitbild beim Arbeitnehmerüberlassungsvertrages nur von einer zurechenbaren Haftung bei der Auswahl des Zeitarbeiters ausgeht, aber nicht von der konkreten Zurechnung von Pflichtverletzungen des Zeitarbeiters im Rahmen der Tätigkeit.


Hintergrund des gesetzlichen Leitbildes bei der Arbeitnehmerüberlassung ist der Umstand, dass der Personaldienstleister im Rahmen der tatsächlichen Tätigkeiten des Zeitarbeiters beim Entleiher keine Einflussmöglichkeiten hat im Gegensatz zum Entleiher. Dieser hat gerade das Weisungsrecht, die Kontrollfunktion und auch die Zuständigkeit für die Arbeitssicherheit.


Fazit: Keine Haftung des Personaldienstleisters für das Verhalten der Zeitarbeiter


Aus dem Urteil wird zweierlei deutlich: Zum einen, dass Personaldienstleister grundsätzlich nicht für Fehler seiner Arbeitnehmer während des Einsatzes im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung haften. Der Personaldienstleister haftet grundsätzlich nicht gegenüber Dritten. Die einzige Haftung, die der Personaldienstleister gegenüber dem Entleiher hat, ist die für die Auswahl des Zeitarbeiters.

Nur wenn der Personaldienstleister einen nicht ordnungsgemäß ausgewählten Zeitarbeiter überlassen hat, kann der Entleiher gegebenenfalls Regressansprüche geltend machen.


Zum anderen zeigt die Entscheidung, dass der Personaldienstleister durchaus hätte haften können, wenn er statt einer Arbeitnehmerüberlassung einen Dienstvertrag ausgeführt hätte. Das Landgericht hatte dies aufgrund der Behauptung der Versicherung überprüft, jedoch letztendlich – zurecht – verworfen. Hätte aber der Personaldienstleister die Einsätze der Zugführer selbst organisiert und entsprechende Weisungen erteilt, hätte die Entscheidung auch andersherum ausgehen können. Die Folgen für den Personaldienstleister wären nicht abzusehen gewesen. Er hätte Schadensersatz in Millionenhöhe zahlen müssen und es ist fraglich, ob seine Betriebshaftpflichtversicherung hier eingesprungen wäre, da diese im Zweifel nur für die Arbeitnehmerüberlassung abgeschlossen wurde.

Personaldienstleister sollten sich daher grundsätzlich entscheiden, ob sie einen Werk- oder Dienstvertrag oder eine Arbeitnehmerüberlassung durchführen und die Einsätze hiernach ausrichten.


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