Mehr Infos zum Bay. LSG v. 27.04.2020 -

Mehr Infos zum Bay. LSG – Beschluss vom 27.04.2020 – L 5 KR 584/19 B ER


Haftung des Entleihers für ausgefallene Gesamtsozialversicherungsbeiträge des Verleihers
Bay. LSG – Beschluss vom 27.04.2020 – L 5 KR 584/19 B ER

Sachverhalt: Haftet ein Entleiher für die Sozialversicherungsbeiträge der Leiharbeiter, wenn der Verleiher wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht wurde?
Streitig ist im Ausgangsfall, ob die Entleiherin für Gesamtsozialversicherungsbeiträge für von ihr entliehene Arbeitnehmer der G. Zeitarbeitsagentur GmbH (im Folgenden: „G.“) in der Zeit vom 01.06.2016 bis 30.09.2016 haftet.

Die Entleiherin ist im Bereich der Bewirtung/Catering von Flüchtlingsunterkünften tätig. Sie beschäftigte im streitgegenständlichen Zeitraum Leiharbeitnehmer der „G.“, die über eine Ar- beitnehmerüberlassungserlaubnis verfügte. Die Arbeitnehmer, die aus Kroatien stammen, wurden von der Entleiherin bei der Bewirtung von Flüchtlingsunterkünften als Fahrer und für die Essensausgabe eingesetzt.

Die „G.“ wurde am 28.03.2018 wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht. Daraufhin führte die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Betriebsprüfung durch, sicherte Unterlagen über den Verleih von Arbeitnehmern in Form von Rechnungen und Stundenaufzeichnungen und stellte mit Bescheid vom 13.06.2018 gegenüber der „G.“ Beitragsnachforderungen zur Sozialversicherung für den Zeitraum vom 01.06.2016 bis zum 31.10.2016 fest.

Gleichwohl wurde die Entleiherin ein selbstschuldnerischer Bürge für die nicht entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Haftung genommen. Insgesamt wurde von ihr die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 125.440,67 Euro gefordert. Dagegen erhob die Entleiherin Widerspruch, der zurückgewiesen wurde. Dann wendete sich die Entleiherin an das Sozialgericht. Nachdem das Sozialgericht den Eilantrag ablehnte, legte die Entleiherin die Beschwerde ein, in der sie geltend machte, Opfer eines Betruges geworden zu sein. Die „G.“ habe unrichtige Anmeldungen zur Sozialversicherung vorgelegt, um die Entleiherin zu täuschen. Zudem habe sie falsche Abrechnungen erstellt, um von der Entleiherin zu hohe Stundenzahlungen zu erlangen.

Entscheidung des Bay. LSG: Entleiher an Stelle des Verleihers haftet für die nicht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge
Das Bay. LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Entleiherin an Stelle der „G.“ für die von dieser als Arbeitgeberin (§§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG) geschuldeten Gesamtsozialversicherungsbeiträge sowie Säumniszuschläge wie ein selbstschuldnerischer Bürge (§ 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV) haftet.

Das in § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV dem Entleiher eingeräumte Leistungsverweigerungsrecht „solange die Einzugsstelle den Arbeitgeber nicht gemahnt hat und die Mahnfrist nicht abgelaufen ist,“ steht der Entleiherin im vorliegenden Fall nicht zu, obwohl die „G.“ als Arbeitgeberin wegen der Forderung noch nicht gemahnt wurde. Nach der Löschung der „G.“ aus dem Handelsregister infolge der Vermögenslosigkeit bedarf es ausnahmsweise keiner Mahnung, um an ihrer Stelle die Entleiherin in Anspruch nehmen zu können.

Die subsidiäre Inanspruchnahme des Entleihers nach § 28e Abs. 2 Satz 1 SGB IV hat auf der einen Seite neben dem unmittelbaren sozialversicherungsrechtlichen Schutz der Leiharbeitnehmer bzw. der Sicherung der Einnahmen der Sozialversicherungsträger gerade auch zum Ziel, einen mittelbaren Zwang auf den Verleiher auszuüben, seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen. Auf der anderen Seite soll das Risiko der Bürgenhaftung den Entleiher dazu veranlassen, sich fortlaufend über die Seriosität des Verleihers zu informieren.

Für das LSG war außerdem irrelevant, ob die Entleiherin möglicherweise Opfer eines Betruges geworden ist. Wenn die Entleiherin durch Vorlage entsprechender Bilanzen belegt hätte, dass ihr wirtschaftlicher Fortbestand nicht mehr gewährleistet wäre, wenn sie die Haftungssumme zahlen muss, wäre eine unbillige Härte glaubhaft gemacht. Hierzu hat die Entleiherin aber nichts vorgetragen. Eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Entleiherin ist im Übrigen auch sonst nicht ersichtlich.

Fazit: Gutgläubigkeit schützt vor Haftung nicht
Der Beschluss zeigt deutlich, dass den Firmen, die die Zeitarbeiter einer unseriösen Zeitarbeitsagentur einsetzten, hohe Risiken drohen. Im Falle der Insolvenz eines Verleihers haftet der Entleiher für die Sozialversicherungsbeiträge für die bei ihm eingesetzten Zeitarbeiter. Um solche drastischen Folgen zu vermeiden, sollten Entleiher sich ausführlich über die möglichen Verleiher informieren. Hierzu empfiehlt sich außerdem anwaltlicher Rat.

siehe auch unter: https://protag-law.com/1-haftung-des-entleihers-fuer-ausgefallene-gesamtsozialversicherungsbeitraege-des-verleihers-bay-lsg-beschluss-vom-27-04-2020-l-5-kr-584-19-b-er/
Kontaktperson: Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Greulich hilft Ihnen gerne auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit, Arbeitsrecht, Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, sowie Europarecht. Darüber hinaus berät Sie Herr Greulich bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie im Falle von Sanktionen durch Behörden (Bußgeldbescheid etc.) und vertritt Sie sowohl gegenüber der Bundesagentur für Arbeit als auch, im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfs, gegenüber Zoll oder Staatsanwaltschaft sowie vor Gerichten. Wenden Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Greulich, wenn Sie sich vor den möglichen Risiken einer nicht rechtskonformen Durchführung Ihrer Tätigkeit absichern wollen. Sie erreichen ihn per E-Mail (greulich@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.

Share by: