Mehr Infos zum Beschluss des LSG Sachsen - L 2 BA 19/21 B ER

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Selbstständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung eines Schweißers?

Beschluss des LSG Sachsen - L 2 BA 19/21 B ER

 

Sachverhalt: Haben Widersprüche gegen Nachforderungsbescheide für Selbstständige aufschiebende Wirkung?

 

Die Beschwerdeführerin ist ein Unternehmen, das Schweißarbeiten durchführt. Ein Schweißer, um dessen Einsatz es im vorliegenden Fall geht, erbrachte auf selbstständiger Basis im Auftrag der Beschwerdeführerin ausschließlich Schweißarbeiten für die Firma Y, der Auftraggeberin der Beschwerdeführerin.

 

Der selbstständige Schweißer gab in dem von ihm ausgefüllten Fragebogen unter anderem an, für die Beschwerdeführerin in der Zeit von Februar 2018 bis ungefähr März 2019 Schweiß- und Bauleistungen bei der Fertigung von Kühlanlagen ausgeführt zu haben. Er habe ein Gewerbe angemeldet und verfüge über eigene Betriebsräume. Im Zusammenhang mit der zu beurteilenden Tätigkeit habe er keine eigenen Arbeitnehmer beschäftigt. Eine regelmäßige Arbeitszeit sei nicht vereinbart gewesen. Sämtliche Arbeiten seien bei der Firma Y ausgeführt worden. Hinsichtlich der Ausführung seiner Arbeit seien ihm Weisungen erteilt worden. Seine Arbeiten seien kontrolliert worden. Er habe mit anderen Personen der Firma Y zusammengearbeitet. Er sei zur persönlichen Ausführung der Arbeiten verpflichtet gewesen. Die Arbeitsmittel seien ihm kostenlos zur Verfügung gestellt worden. Eigene Arbeitsmittel habe er nicht eingesetzt. Er habe einen Stun- denzettel über seine Arbeitszeit geführt, um Rechnung legen zu können. Er habe ein Honorar in Höhe von 28,00 Euro pro Stunde erhalten. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sei ihm ebenso wenig gewährt worden wie Urlaub.

 

Die Beschwerdegegnerin (die Deutsche Rentenversicherung) war jedoch der Ansicht, dass der Schweißer nicht selbstständig tätig sei, sondern in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Daher bestehe für ihn Versicherungs- und Beitragspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Aus diesem Grund setzte die Deutsche Rentenversicherung durch Bescheid vom 18. März 2021 die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 12. Februar 2018 bis 31. Dezember 2018 auf 9.918,35 EUR fest.

 

Dagegen wendete sich die Beschwerdeführerin an das Sozialgericht (SG) Chemnitz und beantragte die aufschiebende Wirkung gegen den Bescheid der Deutschen Rentenversicherung. Das Sozialgericht lehnte den Antrag der Beschwerdeführerin ab. Dagegen legte die Beschwerdeführerin eine Beschwerde beim LSG ein.

 

Entscheidung des LSG: Keine grundsätzlich aufschiebende Wirkung gegen Bescheide der Deutschen Rentenversicherung über Nachforderungen für Scheinselbstständige

 

Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde unbegründet ist.

 

Nach dem Wortlaut von § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV haben Widerspruch und Klage nur aufschiebende Wirkung gegen Entscheidungen, "dass eine Beschäftigung vorliegt". Anders als § 7a SGB IV ermächtigt § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfung zum Erlass von Verwaltungsakten sowohl zur Versicherungspflicht als auch zur Beitragshöhe. Indes folgen aus § 7a SGB IV keinerlei beitragsrechtliche Zuständigkeiten. Der Gesetzeswortlaut des § 7a Abs. 7 Satz 1 SGB IV lässt es daher nicht zu, ihn auf Verwaltungsakte der Rentenversicherungsträger im Rahmen von Betriebsprüfungen nach § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV zu erstrecken.

 

Insofern stellt § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG klar, dass bei einer Entscheidung über die Versicherungspflicht – wie zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung durch den Rentenversicherungsträger – die aufschiebende Wirkung entfällt.

 

Die eigentliche Entscheidung, die der Bescheid vom 18. März 2021 trifft, stellt somit die Beitragsnachforderung dar.

 

Fehlen der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens für den selbstständigen Schweißer

 

Nach den insoweit übereinstimmenden Antworten in den Fragebögen ist im Vorfeld der Betriebsprüfung ein Statusfeststellungsverfahren nicht durchgeführt worden. Für einen entsprechenden Antrag durch die Beschwerdeführerin hätte nach summarischer Prüfung aber durchaus Anlass bestanden. Das LSG sieht das Unterlassen einer solchen Antragstellung durch den Auftraggeber als fahrlässig an.

 

Außerdem stellte das LSG fest, dass die von der Beschwerdeführerin angeführten Argumente für eine selbstständige Tätigkeit des Schweißers nicht überwiegend verfangen. Der Umstand, dass der Schweißer über eine eigene Firma verfügte und für mehrere Auftraggeber tätig war, spricht nicht notwendigerweise für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Die fehlende Vereinbarung von Schutzrechten zu Gunsten des Schweißers (insbesondere keine Einschränkung des Haftungsrisikos, keine Ansprüche auf Urlaub und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne. Die Honorarhöhe spricht ebenfalls nicht unbedingt für eine selbstständige Tätigkeit.

 

Schließlich führte das LSG aus, dass das vorliegende Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes selbst im Übrigen nicht der geeignete Ort für die Vornahme umfangreicher Ermittlungen ist.

 

Fazit: Widersprüche haben nur im Statusfeststellungsverfahren zu einer selbstständigen Tätigkeit aufschiebende Wirkung

 

Der Beschluss des LSG zeigt, dass die aufschiebende Wirkung nur gegen die Statusfeststellungsbescheide möglich ist, die ein Arbeitsverhältnis feststellen. Bei den Bescheiden der Deutschen Rentenversicherung, die Beitragsnachforderungen wegen fehlender Selbstständigkeit enthalten, entfällt die aufschiebende Wirkung. Daher können die betreffenden Unternehmen nur schwer gegen solche Bescheide vorgehen. Als allererstes sollte bei Beauftragung von Selbstständigen ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Wenn im Rahmen dieses Verfahrens ein Arbeitsverhältnis festgestellt wird, dann können die betreffenden Unternehmen die aufschiebende Wirkung für sich in Anspruch nehmen.

 

Zudem ist es außerordentlich wichtig, dass eine selbstständige Tätigkeit als solche ausgeübt wird. Dafür müssen die Indizien, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen, überwiegen. Um sich vor Risiken zu schützen, empfiehlt sich anwaltlicher Rat. Wir stehen Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.

 

Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen rechtlichen Themen haben, zögern Sie nicht Kontakt aufzunehmen. Herr Rechtsanwalt Prochaska berät Sie bei allen Fragen des Wirtschaftsrechts. Als Fachanwalt liegt sein Schwerpunkt insbesondere auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er steht Ihnen bei Fragen der Unternehmensgründung, der Unternehmensumwandlung, des Unternehmenskaufs oder der Unternehmensnachfolge ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie bei der Ausgestaltung von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen oder auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Ebenso berät Sie Herr Prochaska bei Fragen des Einsatzes von Selbstständigen. Er unterstützt Sie hier sowohl in strafrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen als auch in steuerrechtlichen Verfahren. Sie erreichen ihn per E-Mail (info@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.


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