Mehr Infos Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 05.11.2019 - L 7 AL 83/19 B ER

Mehr Infos zum Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 05.11.2019 - L 7 AL 83/19 B ER


Voraussetzungen der Erteilung einer Erlaubnis nach dem AÜG
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 05.11.2019 – L 7 AL 83/19 B ER

Sachverhalt: Können auch arbeitsrechtliche Verstöße außerhalb des Kernbereichs die Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis versagen?
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien, ein Personaldienstleiter und die Bundesagentur für Arbeit, um die Erteilung einer Erlaubnis nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz.

Der Personaldienstleister beantragte im Jahr 2015 eine Erteilung einer Erlaubnis zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung nach dem AÜG. Die Erlaubnis wurde befristet erteilt und musste jedes Jahr verlängert werden. Die letzte Erlaubniserteilung war bis zum 28. April 2019 befristet. Im Rahmen der Erlaubniserteilung wurde 2017 festgestellt, dass mit den Leiharbeitern Arbeitsverträge geschlossen worden waren, die eine monatliche Arbeitszeit von 109 Stunden vorsahen. Tatsächlich wurden die Leiharbeiter jedoch von 192 Stunden bis 238 Stunden beschäftigt. Es wurde daher die Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis mit der Auflage erteilt, diese Praxis abzustellen.

Mit Schreiben vom 22. November 2018 wies die Bundesagentur für Arbeit den Personaldienstleister darauf hin, dass die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung mit Ablauf des 28. April 2019 ihre Gültigkeit verlieren werde. Ein Verlängerungsantrag müsse spätestens drei Monate vor Ablauf dieses Datums bei ihr eingegangen sein. Vorsorglich wies sie darauf hin, dass ein nach dieser Frist bei ihr eingehender Antrag nicht mehr als Verlängerungsantrag, sondern als Neuantrag behandelt werden müsste. Dies hätte zur Folge, dass die Antragstellerin keine Arbeitnehmerüberlassung mehr betreiben dürfe, falls sie bis zum Ablauf der Erlaubnis von der Antragsgegnerin keine neue Erlaubnis erhalten habe.

Der Verlängerungsantrag kam jedoch verspätet am 29. Januar an, aus diesem Grund behandelte die Bundesagentur für Arbeit den Antrag als Neuantrag auf die Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. In diesem Zuge führte die Bundesagentur eine Betriebsprüfung durch, die zahlreiche Verstöße festgestellt hat. Unter anderem berief sich die Bundesagentur für Arbeit auf fehlerhafte Entlohnung für Feiertage und Urlaub, fehlende Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit, Verletzung des Gleichstellungsgrundsatzes, fehlende Dokumentation von Zeiten ohne Vergütung sowie Verstöße gegen sonstige arbeitsrechtliche oder andere Pflichten. Problematisch war nach Ansicht der Bundesagentur vor allem aber auch die Tatsache, dass die Arbeitszeiten im Arbeitsvertrag nicht an die tatsächlichen Arbeitszeiten angepasst waren.


Aus diesem Grund lehnte die Bundesagentur für Arbeit den Antrag auf die Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis ab. Infolgedessen durfte der Personaldienstleister keine neuen Leih- und Überlassungsverträge mehr abschließen.

Der Personaldienstleister war jedoch der Auffassung, sein Antrag sei nicht als Neuantrag, sondern als Verlängerungsantrag zu behandeln. Hiergegen stellte der Personaldienstleister beim Sozialgericht Hannover einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und beantragte, die Bundesagentur für Arbeit zu verpflichten, ihm vorläufig eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung zu erteilen. Dies lehnte das Sozialgericht ab. Dagegen legte der Personaldienstleister eine Beschwerde beim LSG Niedersachsen-Bremen ein.

Entscheidung des LSG: Versagung der Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis aufgrund der Unzuverlässigkeit des Personaldienstleisters
Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass die Beschwerde unbegründet ist und das Sozialgericht zu Recht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz angelehnt hat.

Als erstes stellte das LSG fest, dass der Verlängerungsantrag des Personaldienstleisters zu spät bei der Bundesagentur eingegangen ist und daher als Neuantrag auf Erteilung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis anzusehen ist. Einen Nachweis für einen früheren Antragseingang hat der Personaldienstleister entgegen seiner Behauptung jedoch nicht vorgelegt.

Ferner führte das LSG aus, dass aufgrund der negativen Prognose zur Zuverlässigkeit des Personaldienstleisters für die Zukunft die Erteilung der Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis zu Recht versagt worden ist.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 AÜG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für die Ausübung der Tätigkeit nach § 1 AÜG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil er u. a. die arbeitsrechtlichen Pflichten nicht einhält. Der Zweck der Vorschrift besteht darin, im Interesse der Sicherheit des sozialen Schutzes der Leiharbeitnehmer unzuverlässige Verleiher aus dem Bereich der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung auszuschalten.


Als unzuverlässig ist ein Antragsteller danach anzusehen, wenn in seiner Person Tatsachen vorliegen, denen zufolge zu besorgen ist, dass er sein Gewerbe nicht im Einklang mit den bestehenden rechtlichen Vorschriften ausüben wird. In der Regel handelt es sich zwar hierbei um arbeitsrechtliche Verstöße im Kernbereich, wie Vergütung, Ansprüche auf Erholungsurlaub bzw. auf sonstige geldwerte Leistungen. Die Unzuverlässigkeit kann sich aber auch aus einer Summierung von Umständen und kleinen Verstößen gegen arbeitsrechtliche Vorschriften ergeben, die für sich allein keinen Versagungsgrund rechtfertigen könnten. Dabei ist eine Prognose für die Zukunft anzustellen, die ein aus den vorhandenen tatsächlichen Umständen der Vergangenheit und der Gegenwart gezogener Schluss auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Antragstellers darstellt.

Gegen die Zuverlässigkeit des Personaldienstleisters sprachen nach Ansicht des LSG hauptsächlich folgende Verstöße:

Es wurden nach wie vor Arbeitsverträge mit den Leiharbeitern, die sie als teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ausweisen, abgeschlossen, obwohl die Leiharbeiter im Ergebnis Vollzeit in den Entleihbetrieben arbeiteten. Damit verlagerte der Verleiher das Arbeitgeberrisiko auf die Leiharbeiter. Für Zeiten fehlenden Einsatzes reduzierte sich dadurch die Zahlungspflicht maßgeblich.

Dies führte zugleich zu Verstößen gegen die Entgeltfortzahlungspflicht bei Krankheit, Urlaub und an Feiertagen. Hierdurch kam es zu erheblichen Ersparnissen auf Seiten des Verleihers zu Lasten seiner Leiharbeiter. Für die Berechnung des Entgeltausfalls wurden nämlich die kurzen vertraglichen Zeiten zugrunde gelegt.

Schließlich sprach für die Unzuverlässigkeit die Fortsetzung der Arbeitnehmerüberlassung ohne Vorlage einer gültigen Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Hierdurch zeigte der Verleiher, dass er an einer ordnungsgemäßen Abwicklung seines Geschäfts kein Interesse hatte.

Fazit: Auch arbeitsrechtliche Verstöße außerhalb des Kernbereichs führen zu einer Versagung der  Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis
Aus dem Beschluss des LSG wird deutlich, dass es nicht selbstverständlich ist, dass eine Arbeitnehmerüberlassung problemlos verlängert bzw. erteilt wird. Eine bereits erteilte Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gibt keine Sicherheit für eine Erteilung von weiteren Erlaubnissen. Daher ist es notwendig, dass die Tätigkeit gesetzeskonform ausgeübt wird, da auch Verstöße außerhalb des Kernbereichs in der Summe eine Erteilung oder eine Verlängerung einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis versagen können.


sieht auch unter: https://protag-law.com/voraussetzungen-der-erteilung-einer-erlaubnis-nach-dem-aueg-beschluss-des-lsg-niedersachsen-bremen-l-7-al-83-19-b-er/
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