Mehr Infos zum Urteil des BAG vom 28.08.2019, 10 AZR 549/18

Mehr Infos zum Urteil des BAG vom 28.08.2019, 10 AZR 549/18


Sind Zinsen der SOKA-BAU rechtmäßig?
BAG, Urteil vom 28.08.2019, 10 AZR 549/18

Sachverhalt: Ist die SOKA-BAU berechtigt, Zinsen in Höhe von 1% pro Monat zu verlangen?
Immer wieder kommt es vor, dass Unternehmen nach der Durchführung von Aufträgen von der SOKA-BAU zur Zahlung von Beiträgen aufgefordert werden. Teilweise trifft dies auch Verleiher, da es nach § 8 Abs. 3 AEntG genügt, dass die Zeitarbeiter mit Tätigkeiten beschäftigt werden, die unter die Branchenmindestlöhne im Baugewerbe fallen. Eine weitere unangenehme Überraschung ergibt sich hierbei aus den Verzugszinsen, die die SOKA-BAU in Höhe von 1% pro Monat verlangt. Diese führen zu einer erheblichen Erhöhung der Forderung.

Das BAG hatte nun über einen solchen Fall zu entscheiden. Das betroffene Unternehmen wandte sich gegen die Zinsen, die die SOKA-BAU ihm gegenüber geltend machte. Das betroffene Unternehmen fiel auch unter den Geltungsbereich der SOKA-BAU-Tarifverträge. Das BAG hatte somit nur zu entscheiden, ob der Verzugszins der SOKA-BAU rechtmäßig ist. Die Entscheidung ist insofern lesenswert, als sich das BAG sehr intensiv mit den einzelnen Einwendungen des Unternehmens befasst.

Entscheidung: Die von der SOKA-BAU geforderten Zinsen sind rechtmäßig
Eine Absage erteilte das BAG zunächst der Ansicht, wonach für den Rückwirkungszeitraum keine Zinsen an die SOKA-BAU zu zahlen seien. Das betroffene Unternehmen leitete dies daraus her, dass der rechtskräftige Tarifvertrag zunächst nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Dies erfolgte erst mit rückwirkender Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Das Unternehmen argumentierte mit § 184 BGB. Nach § 184 BGB entfaltet eine nachträgliche Genehmigung Rückwirkung. Bis zum Zugang dieser Genehmigung besteht jedoch kein Verzug und damit keine Pflicht zur Zahlung von Zinsen. In der Schwebezeit bestand nämlich kein klagbarer Anspruch. Somit können frühestens ab dem Zeitpunkt der Genehmigung Zinsen verlangt werden. Nach Ansicht des betroffenen Unternehmens muss dies für die SOKA-BAU auch gelten.

Nach Ansicht des BAG sind diese Erwägungen auf die rückwirkende Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht übertragbar. Zum einen betrifft § 184 BGB den Fall eines schwebend unwirksamen Rechtsgeschäfts. Solange die Unwirksamkeit in der Schwebe ist, dürfen die Beteiligten nicht davon ausgehen, dass es wirksam wird. Bei der rückwirkenden Allgemeinverbindlichkeitserklärung handelt es sich hingegen um einen staatlichen Rechtsakt. Bei diesem war mit einer Rückwirkung zu rechnen. Dies ist nach Ansicht des BAG jedenfalls dann der Fall, wenn der neue allgemeinverbindliche Tarifvertrag einen früheren allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ablöst. In diesem Fall müssen die betroffenen Unternehmen mit einer Rückwirkung rechnen. Erschwerend kam hinzu, dass darauf bereits in einem Antrag, der im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde, hingewiesen wurde. Zudem war zu berücksichtigen, dass die Tarifverträge in der Vergangenheit immer lückenlos für allgemeinverbindlich erklärt worden waren.

Zinsen der SOKA-BAU in Höhe von 1% je Monat mit höherrangigem Recht vereinbar
Nach Ansicht des BAG sind die Zinsen, die die SOKA-BAU verlangt, auch mit höherrangigem Recht vereinbar. So steht es den Tarifparteien frei, einen höheren als den gesetzlichen Zinssatz festzulegen. § 288 BGB lässt dies zu, ebenso wie die zugrunde liegende Richtlinie 2011/7/EU.

Die Zinsen verstoßen auch nicht gegen Grundrechte. So ist nach Ansicht des BAG der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt. Eine solche Verletzung kann nur angenommen werden, wenn eine Gruppe im Vergleich zu einer andere Gruppe unterschiedlich behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede bestehen, die die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Damit ist eine Ungleichbehandlung zulässig, wenn ein sachlich rechtfertigender Grund vorliegt. So ist es zunächst gerechtfertigt, dass Unternehmen bei ausstehenden Beitragszahlungen Zinsen zahlen müssen, die SOKA-BAU für ausstehende Erstattungsansprüche jedoch nicht. Dies liegt darin begründet, dass durch die Zinsen Druck auf die Unternehmen ausgeübt werden soll, ihrer Meldepflicht rechtzeitig und vollständig nachzukommen. Zudem sollen sie angehalten werden, die Beiträge rechtzeitig zu leisten. Derartigem Druck muss die SOKA-BAU nicht ausgesetzt werden. Die Tarifparteien haben hier einen entsprechenden Gestaltungsspielraum. Daneben haben die Zinsen den weiteren Zweck, Wettbewerbsvorteile aus der verspäteten Zahlung der Beiträge zu vermeiden bzw. auszugleichen. Auch dies trifft auf die SOKA-BAU nicht zu. Unternehmen, die Beiträge nicht fristgerecht zahlen, verschaffen sich hierdurch einen Vorteil gegenüber Mitbewerbern, die rechtzeitig zahlen. Sie können die freien finanziellen Mittel anderweitig einsetzen oder Aufträge günstiger anbieten. Eine vergleichbare Situation besteht bei der SOKA-BAU nicht.

Soweit die Pflicht zur Zahlung von Zinsen nicht danach differenziert, wann innerhalb eines Monats die Säumnis eingetreten ist, ist dies zulässig. Sowohl dem Gesetzgeber als auch den Tarifparteien ist es erlaubt, zu pauschalisieren. Dies umso mehr, als es hier um einen überschaubaren Zeitraum von nur 30 Tagen geht. Zudem dient dies der Vereinfachung der Verwaltung. Außerdem haben sich die Tarifparteien damit an die gesetzlichen Bestimmungen im Sozialversicherungsrecht und im Steuerrecht orientiert.

Der Zinssatz verstößt auch nicht gegen das Übermaßverbot aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m Art. 20 Abs. 2 GG. Der Zweck, Druck auf säumige Unternehmen aufzubauen, ist legitim. Er führt auch dazu, dass geschuldete Beiträge rechtzeitig geleistet werden. Außerdem soll hiermit auch ein Schaden der SOKA-BAU pauschal ausgeglichen werden. Dieser tritt bei ihr ein, wenn Beiträge nicht rechtzeitig gezahlt werden. Die SOKA-BAU muss nämlich unabhängig von einem Beitragsaufkommen ihren tarifvertraglichen Verpflichtungen nachkommen. Zudem erhöht die Nichtzahlung der Beiträge ihren Verwaltungsaufwand. Durch die Pflicht, Zinsen an die SOKA-BAU zu zahlen, wird sichergestellt, dass die tariftreuen Unternehmen an diesen Mehrkosten nicht beteiligt werden. Weiter spricht für die Zinshöhe, dass sie sich innerhalb des Rahmens der Darlehenszinsen orientiert. Dass sie hierbei den oberen Rahmen anpeilt, ist unschädlich, da es sonst für Unternehmen im Vergleich zu einem Bankkredit interessanter wäre, die Beiträge nicht zu zahlen. Zugleich wird mit der Zinspflicht sichergestellt, dass die SOKA-BAU funktioniert und finanziell stabil bleibt. Die SOKA-BAU ist als Solidargemeinschaft ausgestaltet. Dementsprechend ist sie auf eine ordnungsgemäße Beitragszahlung angewiesen. Auch aus diesem Grund rechtfertigt sich der Gleichlauf mit den gesetzlichen Säumniszuschlägen in der Sozialversicherung und dem Steuerrecht.

Schließlich hält das BAG fest, dass die Belastungen für die Unternehmen auch zumutbar sind. Sie können durch ihr Verhalten selbst beeinflussen, ob es zu einer Pflicht zur Zahlung der Zinsen kommt oder nicht.

Die rückwirkende Anordnung der Tarifverträge durch § 7 SokaSiG betrifft auch die Zinsen der SOKA-BAU
Schließlich stellte das BAG noch einmal klar, dass auch § 7 SokaSiG die Geltung der Zinsen für die SOKA-BAU rückwirkend anordnen konnte. § 7 SokaSiG ist auch mit dem Grundgesetz vereinbar. So ist der Gesetzgeber berechtigt, unwirksame Allgemeinverbindlichkeitserklärungen durch eine gesetzliche Norm zu ersetzen. Er ist aber nicht dafür auf speziellen Rechtsformen festgelegt. Zudem ist er berechtigt und hat die Pflicht, das System der Tarifautonomie funktionsfähig zu gestalten. Das Gesetz dient zudem der Sicherung des Fortbestands der SOKA-BAU. Dadurch schafft es auch Bedingungen für einen fairen Wettbewerb.

§ 7 SokaSiG verletzt auch nicht das Vertrauen der Unternehmen, von rückwirkenden Gesetzen verschont zu bleiben. Die betroffenen Unternehmen mussten mit einer gesetzlichen Bestätigung der Beitragspflicht rechnen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass bis zur Entscheidung des BAG am 20.09.2016 keine Grundlage für ein Vertrauen bestand. Bis dahin war über die Wirksamkeit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung VTV 2015 noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Deshalb konnte auch kein schutzwürdiges Vertrauen der betroffenen Unternehmen entstehen.

Fazit
Als Fazit ist festzuhalten, dass betroffene Unternehmen auch für die Vergangenheit mit Forderungen der SOKA-BAU auf Zinsen rechnen müssen. Dies gilt auch für die Fälle, in denen keine wirksame Allgemeinverbindlichkeitserklärung bestand. Dies hat das BAG mit ähnlicher Begründung im Urteil vom 03.07.2019, 10 AZR 499/17  festgehalten. Soweit eine Beitragsplicht bei der SOKA-BAU unstreitig besteht, sollten daher die Beiträge zeitnah beglichen werden.


siehe auch unter: https://protag-law.com/zinsen-der-soka-bau-sind-rechtmaessig-bag-urteil-vom-28-08-2019-10-azr-549-18/
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