Mehr Infos zum Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 16.01.2020 - 5 Sa 150/19

Mehr Infos zum Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 16.01.2020 - 5 Sa 150/19


Rückzahlung von Honoraren für freie Mitarbeiter?
LAG Schleswig-Holstein, Urteil vom 16.01.2020 – 5 Sa 150/19

Sachverhalt: Kann ein Arbeitgeber die Rückzahlung der gezahlten Honorare für einen freien Mitarbeiter verlangen, wenn sich das Rechtsverhältnis nachträglich als Arbeitsverhältnis erweist?
Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über Rückzahlungsansprüche der Klägerin, die ein Pflege- und Therapiezentrum betreibt, wegen einer fehlerhaften Behandlung des Vertragsverhältnisses als selbständiger Dienstvertrag. Der Beklagte war bei der Klägerin als freier Mitarbeiter seit dem Jahr 2015 selbständig tätig und wurde als examinierte Pflegefachkraft eingesetzt.

Im Jahr 2016 fand eine Betriebsprüfung der Klägerin seitens der Deutschen Rentenversicherung statt. Infolgedessen stufte diese das Rechtsverhältnis der Klägerin mit dem Beklagten als abhängige Beschäftigung ein und verlangte nachzuentrichtende Sozialversicherungsbeiträge.

Daraufhin erhob die Klägerin eine Zahlungsklage beim Arbeitsgericht und forderte vom Beklagten Rückzahlung überhöhter Vergütungszahlung in Höhe von 18.636,95 Euro. Dies begründete sie damit, dass der Beklagte Arbeitnehmer sei. Als Arbeitnehmer hätte sie ihm aber ein geringeres Gehalt zahlen müssen.

Nachdem das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen hatte, legte die Klägerin die Berufung ein.

Entscheidung des LAG: Kein Anspruch auf Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Honorare an freie Mitarbeiter

Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass das Arbeitsgericht zu Recht die Klage abgewiesen hatte und stellte fest, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung von zu Unrecht gezahlter Vergütung hat. Auch wenn der Dienstvertrag sich im Nachhinein als Arbeitsverhältnis erweist, steht der Klägerin kein Anspruch auf Rückforderung zu viel gezahlter Vergütung gegen den freien Mitarbeiter zu.

Grundsätzlich kann der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des BAG aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters rückwirkend festgestellt wird. Dabei umfasst der Bereicherungsanspruch nicht sämtliche Honorarzahlungen, sondern nur die Differenz zwischen dem gezahlten Honorar und der für ein Arbeitsverhältnis geschuldeten Vergütung.

Jedoch selbst dann, wenn die Voraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs vorlägen, ist es der Klägerin nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Überzahlung des Beklagten zu berufen.

Vertrauensschutz des freien Mitarbeiters
Durch die Vereinbarung und Behandlung des Rechtsverhältnisses als freie Mitarbeit wird beim Mitarbeiter nämlich ein entsprechender Vertrauenstatbestand geschaffen. Erweist sich die Zusammenarbeit tatsächlich als Arbeitsverhältnis, ist dieses Vertrauen des Arbeitnehmers grundsätzlich schützenswert. Der Arbeitgeber handelt rechtsmissbräuchlich, wenn er versucht, dem freien Mitarbeiter die erhaltenen Vorteile wieder zu entziehen.

Anders liegt es dann, wenn der freie Mitarbeiter selbst eine Klage erhebt und für einen bestimmten Zeitraum die Einordnung des Rechtsverhältnisses als Arbeitsverhältnis geltend macht. Damit gibt er zu erkennen, dass er das Rechtsverhältnis nicht nach den Regeln der freien Mitarbeit, sondern nach Arbeitsrecht behandelt wissen will. Wenn der Arbeitgeber entsprechend diesem Anliegen verfährt und das Rechtsverhältnis auch vergütungsrechtlich als Arbeitsverhältnis behandelt, kann der Arbeitnehmer insoweit keinen Vertrauensschutz geltend machen.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte im gesamten Verlauf des Rechtsstreits auf die Einordnung des Vertragsverhältnisses als freies Dienstverhältnis bestanden und zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmerrechte geltend gemacht. Aus diesem Grund konnte die Klägerin die Rückzahlung nicht geltend machen. Das LAG wies die Berufung zurück.

Fazit: Wenn ein freier Mitarbeiter auf dem freien Dienstverhältnis besteht, kann der Arbeitgeber keine Rückzahlung von Honoraren verlangen

Aus dem Urteil wird klar, dass ein Arbeitgeber nicht immer von einem freien Mitarbeiter Rückzahlung von zu viel bezahlten Honoraren verlangen kann, wenn sich im Nachhinein das Rechtsverhältnis als abhängige Beschäftigung erweist. Wenn ein freier Mitarbeiter auf die Einordnung des Vertragsverhältnisses als freies Dienstverhältnis besteht und zu keinem Zeitpunkt Arbeitnehmerrechte geltend macht, verstößt ein Arbeitgeber gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn er sich trotz des Abschlusses eines Dienstleistungsvertrages und der Zahlung der danach vereinbarten Honorare, auf die tatsächliche Begründung eines Arbeitsverhältnisses beruft und die Rückzahlung von zu viel bezahlten Honoraren verlangt.

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