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Mehr Infos zum Urteil des BAG v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18


Equal-Pay-Anspruch eines Zeitarbeiters wegen unzureichender Inbezugnahme auf einen Tarifvertrag
BAG Urteil v. 16.10.2019 – 4 AZR 66/18
 
Sachverhalt: Wie weit muss ein Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag Bezug nehmen, um vom Equal-Pay-Gebot abweichen zu können?
Das BAG hatte über Lohnansprüche eines Leiharbeiters unter dem Gesichtspunkt des Equal Pay zu entscheiden. Der Kläger war seit 2013 bis Juli 2017 bei der Beklagten, die ein Zeitarbeitsunternehmen betreibt, als Kraftfahrer beschäftigt. Laut dem Arbeitsvertrag fanden auf das Arbeitsverhältnis Tarifverträge für die Zeitarbeit Anwendung. Allerdings wich der Arbeitsvertrag auch in einigen Punkten von diesen Tarifverträgen zu Lasten des Leiharbeiters ab.

In der Zeit vom 14.04.2014 bis zum 31.08.2015 war der Kläger als Coil-Carrier-Fahrer bei einem Entleiher eingesetzt. Die Stammbelegschaft des Entleihers wurden besser vergütet. Aus diesem Grund war der Kläger der Auffassung, ihm stehe die Differenz zwischen der von der Beklagten gezahlten Vergütung und derjenigen zu, die die beim Entleiher beschäftigten Coil-Carrier-Fahrer erhalten haben.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab und die Sache kam zum BAG.

Entscheidung des BAG: Verpflichtung des Verleihers dem Zeitarbeiter Equal Pay zu zahlen
BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger für den Zeitraum des Verleihs Equal Pay zu zahlen.

Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz verpflichtet den Verleiher, dem Leiharbeiter das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichstellung erlaubt das AÜG ein Abweichen durch Tarifvertrag. Im Geltungsbereich eines solchen Tarifvertrags können nicht tarifgebundene Verleiher und Leiharbeiter dessen Anwendung arbeitsvertraglich vereinbaren. Nach dem BAG ist jedoch eine vollständige vertragliche Inbezugnahme des Tarifvertrags notwendig. Nur so kann vom Equal-Pay-Gebot abgewichen werden. Die Bezugnahme muss außerdem auf wirksame Tarifverträge erfolgen.

Nur die Vereinbarung solcher Tarifbedingungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien erlaubt es dem Verleiher, dem Leiharbeitnehmer im Entleihzeitraum andere wesentliche Arbeitsbedingungen als diejenigen der Stammarbeitnehmer des Entleihers zu gewähren.

Abweichung im Arbeitsvertrag von den Tarifverträgen führt zu Equal Pay
Im vorliegenden Fall weichen nach Ansicht des BAG verschiedene Regelungen des Arbeitsvertrags von den tariflichen Bestimmungen ab. Ausdrücklich in einen Arbeitsvertrag aufgenommene Klauseln haben grundsätzlich Vorrang gegenüber einer nur durch die pauschale Bezugnahme auf einen Tarifvertrag anwendbaren Regelung. Aus diesem Grund sind die Tarifverträge für die Zeitarbeit im Arbeitsverhältnis der Parteien nicht vollständig vertraglich in Bezug genommen worden.

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Das BAG hielt fest, dass es nämlich nur zwei Alternativen gibt: Dem Leiharbeiter muss Equal Pay gewährt werden. Oder die Arbeitsbedingungen des Leiharbeiters werden durch einen Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche gestaltet. Dies erfolgt entweder kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit oder durch vertragliche Inbezugnahme.

Im vorliegenden Fall haben die Parteien vertraglich keine vollständige Inbezugnahme der Tarifverträge für Zeitarbeit vereinbart, daher steht dem Kläger der Anspruch auf Equal Pay zu.

Der Anspruch des Leiharbeitnehmers auf Equal Pay entsteht mit jeder Überlassung und besteht jeweils für die Dauer der Überlassung. Zur Ermittlung der Höhe des Anspruchs ist ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei sind das im Betrieb des Entleihers einem Stammarbeitnehmer gewährte Vergleichsentgelt und das dem Leiharbeiter vom Verleiher gezahlte Entgelt miteinander zu saldieren. Wenn Stammarbeitnehmer aber ein Monatsgehalt erhalten, richtet sich auch der Anspruch des Leiharbeiters auf ein Monatsgehalt nach den Bestimmungen des Entleihbetriebs. Ein „Herunterrechnen“ auf einen – fiktiven – Stundenlohn scheidet aus. Dies gilt unabhängig davon, ob eine solche Vorgehensweise sich zugunsten oder zuungunsten des Leiharbeiters auswirkt.

Fazit: Abweichung vom Equal-Pay-Gebot nur durch eine vollständige Inbezugnahme der Tarifveträge
Das Urteil zeigt, dass Verleiher zwar vom Equal-Pay-Gebot durch die Tarifverträge abweichen können. Es müssen aber bestimmte Vorrausetzungen erfüllt sein. Zwar können nicht tarifgebundene Verleiher und Zeitarbeiter im Vertrag die Anwendung von Tarifverträgen vereinbaren. Diese Anwendung muss jedoch vollständig sein. Regelungen dieses Vertrages können somit nicht von den vereinbarten Tarifverträgen abweichen. Im Falle der Abweichung müssen die Zeitarbeiter das gleiche Arbeitsentgelt wie die Stammbelegschaft des Entleihers erhalten. Verleiher sind daher gut beraten, Ihre Arbeitsverträge darauf hin zu überprüfen, ob Sie noch den rechtlichen Anforderungen entsprechen. Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf.

siehe auch unter: https://protag-law.com/umgehung-des-equal-pay-anspruchs-eines-zeitarbeiters-durch-einen-tarifvertrag-bag-urt-v-16-10-2019-4-azr-66-18/
Kontaktperson: Herr Rechtsanwalt Greulich  hilft Ihnen gerne auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen  Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit, Arbeitsrecht,  Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, sowie Europarecht. Darüber hinaus berät Sie Herr Greulich bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie im Falle von Sanktion durch Behörden (Bußgeldbescheid etc.) und vertritt Sie sowohl gegenüber der Bundesagentur für Arbeit als auch, im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfs, gegenüber Zoll oder Staatsanwaltschaft sowie vor Gerichten. Wenden Sie sich an unseren Rechtanwalt Greulich, wenn Sie sich vor den möglichen Risiken einer nicht rechtskonformen Durchführung Ihrer Tätigkeit absichern wollen.  Sie erreichen ihn per E-Mail (greulich@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.

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