Mehr Infos zum Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.12.2019 - 21 TaBV 489/19

Mehr Infos zum Beschluss des LAG Berlin-Brandenburg vom 05.12.2019 - 21 TaBV 489/19


Abgrenzung einer Arbeitnehmerüberlassung vom Werk- bzw. Dienstvertrag
LAG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 05.12.2019 - 21 TaBV 489/19

Sachverhalt: Ist es im Rahmen eines Werkvertrages möglich, dass ein Auftragnehmer Arbeitsanweisungen des Einsatzunternehmens an seine Arbeitnehmer weiterleitet?
Im vorliegenden Fall befasst sich das LAG Berlin-Brandenburg unter anderem mit der Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung von einem Werk- oder Dienstvertrag. Es handelt sich um einen Streit zwischen einer Arbeitgeberin und ihrem Betriebsrat.

Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit mehrere Warenhäuser. In einem Warenhaus waren an den Kassen sowohl eigene Arbeitnehmer der Arbeitgeberin als auch Leiharbeitnehmer eines Verleihers (der In-T. P. GmbH) eingesetzt. Im Jahr 2018 schloss die Arbeitgeberin mit der In-T. P. GmbH einen „Werkvertrag Kassenservice“ über die Erbringung der Kassentätigkeiten mit Wirkung ab dem 1. März 2018.

Der neu gewählte Betriebsrat vertrat die Ansicht, die Fremdvergabe der Kassentätigkeit sei ein rechtsmissbräuchlicher Scheinwerkvertrag. Tatsächlich handele es sich bei den an den Kassen eingesetzten Arbeitskräften um Leiharbeitnehmer und somit um eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung. Daher seien die an den Kassen eingesetzten Arbeitnehmer der In-T.-P. GmbH bei der regelmäßigen Anzahl der Beschäftigten mitzuzählen.

Die Arbeitgeberin war der Auffassung, dass es sich nicht um Arbeitnehmerüberlassung handele, weshalb der Betriebsrat nicht nach § 99 BetrVG zu beteiligen sei.

Nachdem das Arbeitsgericht ausführte, bei den an den Kassen eingesetzten Personen handele es sich um Leiharbeitnehmer, wendete sich die Arbeitgeberin an das Landesarbeitsgericht.

Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg: kein Werk- oder Dienstvertrag, sondern Arbeitnehmerüberlassung
Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass der „Werkvertrag Kassenservice“ kein Werk- oder Dienstvertrag war sondern eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung.

Hierzu erklärte das LAG die Abgrenzungsmerkmale zwischen der Arbeitnehmerüberlassung und dem Werk- bzw. Dienstvertrag.

Eine Überlassung zur Arbeitsleistung ist gegeben, wenn einem Entleihunternehmen Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit nach Weisungen des Entleihunternehmens und in dessen Interesse ausführen. Eine Arbeitnehmerüberlassung ist durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen zwischen dem Verleihunternehmen und dem Entleihunternehmen einerseits (dem Arbeitnehmerüberlassungsvertrag) und zwischen dem Verleihunternehmen und den Arbeitnehmern andererseits (dem Leiharbeitsvertrag) sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen den Arbeitnehmern und dem Entleihunternehmen gekennzeichnet. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrags ist die Verpflichtung des Verleihunternehmens gegenüber dem Entleihunternehmen, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen.

Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Drittunternehmen aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen wird das Unternehmen selbst für ein anderes Unternehmen tätig. Es organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werks gegenüber dem Drittunternehmen verantwortlich.

Im vorliegenden Fall handelt es sich nach der Auffassung des LAG aufgrund folgender Umstände um Arbeitnehmerüberlassung:

  • Aufgrund der einheitlichen Kleidung waren die von der In-T. P. GmbH an den Kassen eingesetzten Arbeitnehmer vom eigenen Personal der Arbeitgeberin äußerlich nicht unterscheidbar.
  • Durch eine Eintragung in ein Ein- und Ausgangsbuch beim Betreten und Verlassen des Warenhauses hatte die Arbeitgeberin jederzeit einen Überblick darüber, wer von den für die In-T.-P. GmbH tätigen Arbeitnehmern anwesend ist.
  • Das Wechselgeld, sowie das Packmaterial wie z.B. Tüten, Seidenpapier und Packband und das sonstige Ge- und Verbrauchsmaterial wurde nicht von der In-T. P. GmbH gestellt.
  • Weiterhin unterlagen die an den Kassen eingesetzten Arbeitnehmer der In-T. P. GmbH den Weisungen der Arbeitgeberin.
Schließlich nahm das LAG eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung aufgrund der Steuerung durch das Einsatzunternehmen an. So liegt eine (verdeckte) Arbeitnehmerüberlassung auch dann vor, wenn Steuerungssysteme gewählt werden, durch die der äußere Anschein eines Werk- oder Dienstvertrages gewahrt wird, der Einsatz des Fremdpersonals tatsächlich aber durch das Einsatzunternehmen gesteuert wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das von dem Auftragnehmer vor Ort eingesetzte Führungspersonal dem Fremdpersonal keine eigenen arbeitsrechtlichen Weisungen erteilt, sondern nur die arbeitsrechtlichen Weisungen des Einsatzbetriebes weiterleitet.

Für eine Steuerung durch das Einsatzunternehmen spricht, wenn sich das Fremdunternehmen verpflichtet, Arbeitsanweisungen des Einsatzunternehmens ohne Einschränkung an seine Arbeitnehmer weiterzugeben und wenn die Art der Ausführung der Tätigkeit vertraglich so festgelegt ist, dass die Festlegungen über Weisungen im Rahmen eines Dienst- oder Werkvertrages hinausgehen und dem Fremdunternehmen kein nennenswerter eigener Gestaltungsspielraum mehr verbleibt.

Dies nahm das LAG an: So war es vertraglich vereinbart, dass sich die Arbeitgeberin, sollte sie eine Arbeitsanweisung für erforderlich halten, an den Ansprechpartner des Auftragnehmers wendet und dieser dann die arbeitsrechtliche Weisung an seine Mitarbeiter erteilt. Das bedeutet, dass sich die In-T. P. GmbH letztlich vertraglich verpflichtet hat, arbeitsrechtliche Vorgaben der Arbeitgeberin an ihre an den Kassen eingesetzten Beschäftigten ohne Einschränkungen weiterzugeben, ohne darauf selbst noch einen gestaltenden Einfluss nehmen zu können. Dadurch wurden die Kassenkräfte nicht von der In- T. P. GmbH, sondern von der Arbeitgeberin angewiesen.

Fazit: Der Inhalt des Vertrages und die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit sind relevant
Das Urteil des LAG zeigt, dass im Endeffekt nicht die Bezeichnung des Vertrages, sondern sein Inhalt und die tatsächliche Durchführung der Tätigkeit für die Abgrenzung der Arbeitnehmerüberlassung vom Werk- bzw. Dienstvertrag relevant sind. Um sich von einer möglichen Unterstellung einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung aufgrund des Scheinwerkvertrages zu schützen, empfiehlt sich hierzu anwaltlicher Rat. Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf.

siehe auch unter: https://protag-law.com/abgrenzung-der-arbeitnehmerueberlassung-zum-werk-bzw-dienstvertrag-lag-berlin-brandenburg-beschluss-vom-05-12-2019-21-tabv-489-19/
Kontaktperson: Herr Rechtsanwalt Andorfer hilft Ihnen auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit,  Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, Deutsches und Europäisches Sozialversicherungsrecht sowie Europarecht. Ebenso berät Sie Herr Andorfer bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er berät Sie über die Durchführung Ihrer Tätigkeit, auditiert die Abläufe in Ihrem Betrieb wie bei einer Zollprüfung und hilft Ihnen die Risiken zu reduzieren. Sie erreichen ihn per E-Mail (andorfer@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.

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