Mehr Infos zum Urteil vom LSG Baden-Württemberg vom 08.08.2019 – L 7 BA 3027/18

Mehr Infos zum Urteil vom LSG Baden-Württemberg vom 08.08.2019 – L 7 BA 3027/18


Zur Einordnung eines Maurers als Selbständiger oder als Arbeitnehmer
LSG Baden-Württemberg Urteil vom 08.08.2019 – L 7 BA 3027/18

Sachverhalt: Wird eine Tätigkeit eines Maurers selbständig oder in einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt?
Der Rechtsstreit betrifft die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgrund der Vermutung einer abhängigen Beschäftigung eines selbstständigen Maurers.

Der Kläger ist der Inhaber eines Bauunternehmens, bei dem der Maurer vom 1. März 2012 bis 18. Dezember 2015 selbständig tätig war. In dem angesprochenen Zeitraum war der Maurer für den Kläger nicht durchgehend zum Tätigwerden für den Kläger verpflichtet. Eine Auftragserteilung erfolgte in jedem Einzelfall mündlich durch den Kläger. Bei Annahme eines Auftrages war er zur Erbringung der jeweiligen Tätigkeit und Erfüllung des Auftrages verpflichtet. Seine Tätigkeit bestand dann – je nach getroffener Vereinbarung – insbesondere in der Planierung von Beton, der Installation von Außenisolierung, der Mauerung von Innenwänden und der Verlegung von Ringdrainagen. Für seine Tätigkeit stellte der Maurer dem Kläger die geleisteten Stunden mit einem Stundensatz von zunächst 32,00 Euro und ab Januar 2013 von 35,00 Euro in Rechnung. Seit Mai 2018 ist der Maurer beim Kläger zu einem Bruttostundenlohn von 18,57 Euro beschäftigt.

Das Hauptzollamt führte im Dezember 2015 eine Prüfung der Geschäftsunterlagen des Klägers und im März 2016 eine Prüfung der Geschäftsunterlagen des beim Kläger selbstständig tätigen Maurers durch. Im April 2016 legte das Hauptzollamt seine Akten der Deutschen Rentenversicherung (der Beklagten) vor.

Aufgrund dieser Akten forderte die Deutsche Rentenversicherung von dem Kläger Sozialversicherungsbeiträge für die Tätigkeit des Maurers in Höhe von 35.916,56 Euro nach. Hiergegen erhob der Kläger eine Klage beim Sozialgericht Ulm. Nachdem das Sozialgericht die Klage abwies, legte der Kläger Berufung beim LSG Baden-Württemberg ein.

Entscheidung des LSG Baden-Württemberg: Keine abhängige Beschäftigung, sondern selbständige Tätigkeit des Maurers
Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass der Maurer selbständig und daher nicht als Arbeitnehmer anzusehen war.

Eine gesetzliche Regel, dass im Zweifel eine versicherungspflichtige Beschäftigung anzunehmen ist, existiert nicht. Daher ist es unzulässig, bestimmte Tätigkeiten als in der Regel abhängige Beschäftigung zu kategorisieren.

Sowohl für den Auftraggeber als auch den Selbständigen stellt die Feststellung der Sozialversicherungspflicht und der damit einhergehenden Beitragspflicht einen Grundrechtseingriff (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz) dar. Dieser Eingriff ist nur zu rechtfertigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einbeziehung in die Sozialversicherung erfüllt sind. Daher muss der abhängige Charakter der Tätigkeit und damit die Sozialversicherungspflicht positiv festgestellt werden.

Im vorliegenden Fall war der Maurer jedoch selbstständig tätig. Dies begründete das LSG mit folgenden Ausführungen.

Mögliche Ablehnung der Aufträge durch den selbständigen Maurer
Zwischen dem Kläger und dem selbständigen Maurer bestand kein Vertrag oder ein (anderer) Rahmenvertrag – auch nicht mündlich oder konkludent – aufgrund dessen der Mauer zur Erbringung einer Arbeitsleistung verpflichtet gewesen wäre. Der Mauer bekam lediglich mündliche Aufträge des Klägers, die er jederzeit ablehnen konnte. Dies spricht für eine selbständige Tätigkeit. Denn Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht berechtigt, ihnen im Rahmen eines Arbeitsvertrages zugewiesene Arbeit abzulehnen. Selbst bei „Arbeit auf Abruf“ steht dem Arbeitnehmer ein Ablehnungsrecht nur dann zu, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit nicht jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

Kein Weisungsrecht des Auftraggebers gegenüber dem selbständigen Maurer
Im vorliegenden Fall ähnelt die mündliche Vereinbarung einem Werkvertrag, in dem die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung von vorneherein festgelegt wird. Hierdurch war der Selbständige im weiteren Verlauf nicht dem Direktionsrecht des Auftraggebers ausgesetzt.

Das LSG stellte fest, dass der Maurer nicht weisungsgebunden gegenüber dem Kläger war. Der Kläger konnte dem Maurer nicht anordnen, dass und wann er zu arbeiten hat. Der Kläger war auch nicht berechtigt, den Maurer kurzerhand zu einer anderen Tätigkeit auf derselben oder einer anderen Baustelle zu verpflichten. Auch dies sah das LSG als Indiz für die selbständige Tätigkeit des Maurers.

Keine Eingliederung des selbständigen Maurers in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers
Der selbständige Maurer war auch nicht in die Arbeitsorganisation des Klägers eingegliedert. Die bloße Anwesenheit eines Auftragnehmers in den Räumlichkeiten des Auftraggebers bei der Durchführung des Auftrages rechtfertigt dies nicht. Gleiches gilt für das Tätigwerden auf Baustellen des Auftraggebers. Die Verwendung von Mitteln oder Materialien, die im Eigentum und/oder Besitz des Auftraggebers stehen oder die dieser zur Verfügung stellt, wird im Werkvertragsrecht als möglicher Umstand ausdrücklich vorausgesetzt.

Nicht jede Anpassung an die Betriebsabläufe des Auftraggebers stellt eine Eingliederung in dessen Arbeitsorganisation dar. Entscheidend ist, ob die Anpassung an organisatorische Vorgaben des Auftraggebers nur Sachzwängen geschuldet ist, denen jeder Mitwirkende unterworfen ist. Eine Tätigkeit als Arbeitnehmer läge nur vor, wenn eine Eingliederung in einen übergeordneten Organismus vorliegt, die Ausdruck einer Weisungsbefugnis des Auftraggebers ist. Da die organisatorischen Vorgaben nur die zwingenden Abläufe auf der Baustelle betrafen, lag keine Eingliederung vor. Auch dies spricht für die Selbständigkeit des Maurers.

Selbständige Tätigkeit des Mauerers auch für andere Auftraggeber
Weiterhin spricht für eine selbstständige Tätigkeit der Umstand, dass der Maurer für andere Auftraggeber tätig werden durfte und auch tätig geworden ist. Dadurch wird die wirtschaftliche Abhängigkeit von einem Auftraggeber bzw. Arbeitgeber reduziert oder gar aufgehoben.

Ferner stellte das LSG fest, dass das Vorliegen eines Unternehmerrisikos in Bezug auf den Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel keine notwendige Vorrausetzung für eine selbständige Tätigkeit ist. Dies gilt schon deshalb, weil anderenfalls geistige oder andere betriebsmittelarme Tätigkeiten nie selbständig ausgeübt werden könnten.

Stundenvergütung spricht nicht zwingend gegen eine selbständige Tätigkeit
Gegen die abhängige Beschäftigung spricht außerdem die Tatsache, dass die Vergütung des Mauers nur für die geleisteten Stunden erfolgte. Der Mauer erhielt keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und hatte keinen Urlaubsanspruch.

Schließlich führte das LSG aus, dass die Höhe der Vergütung zwar kein zwingendes Merkmal einer abhängigen oder selbständigen Tätigkeit ist. Liegt das vereinbarte Honorar aber deutlich über dem Arbeitsentgelt eines vergleichbaren Arbeitnehmers und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies jedoch ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit. Dies war auch der Fall: während der Kläger und der Mauer im streitgegenständlichen Zeitraum einen Stundenlohn von 32,00 Euro bzw. 35,00 Euro vereinbart hatten, erhielt der Mauer für seine inzwischen (seit Mai 2018) aufgenommene abhängige Beschäftigung bei dem Kläger aber nur einen Bruttostundenlohn von 18,57 Euro.

Aus allen oben genannten Gründen kam das LSG zu dem Ergebnis, dass der Maurer selbstständig tätig war.

Fazit: Beachtung der Merkmale der selbständigen Tätigkeit
Das Urteil des LSG befasst sich mit den Abgrenzungskriterien einer selbständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung. Ganz wichtig stellt das LSG fest, dass es keine bestimmten Tätigkeiten gibt, die in der Regel in abhängiger Beschäftigung ausgeübt werden. Eine solche Vermutung ist nicht rechtskonform. In der praktischen Durchführung müssen die Indizien für eine selbständige Tätigkeit vorliegen. Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen rechtlichen Themen haben, zögern Sie nicht Kontakt aufzunehmen.

siehe auch unter: https://protag-law.com/zur-einordnung-eines-maurers-als-selbstaendiger-oder-als-arbeitnehmer-lsg-baden-wuerttemberg-urteil-vom-08-08-2019-l-7-ba-3027-18/
Kontaktperson: Herr Rechtsanwalt Prochaska berät Sie bei allen Fragen des Wirtschaftsrechts. Als Fachanwalt liegt sein Schwerpunkt insbesondere auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts und Steuerrechts. Er steht Ihnen bei Fragen der Unternehmensgründung, der Unternehmensumwandlung, des Unternehmenskaufs oder der Unternehmensnachfolge ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie bei der Ausgestaltung von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen oder auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Sie erreichen ihn per E-Mail (prochaska@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.

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