Mehr Infos

Mehr Infos zum Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.05.2019, 17 P 17.1115


Abgrenzung von Dienstvertrag und Leiharbeit bei Auftraggebern im öffentlichen Bereich
Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21.05.2019, 17 P 17.1115

Sachverhalt: Wann liegt bei einem Dienstvertrag zur Patientenbegleitung verdeckte Leiharbeit vor?
Auch für öffentliche Auftraggeber stellt sich immer wieder die Frage, ob ein Werkvertrag  bzw. Dienstvertrag vorliegt oder eine verdeckte Leiharbeit. Der BayVGH hatte über diese Frage mittelbar zu entscheiden. Bei ihm ging es um das Mitbestimmungsrecht des Personalrats einer Stiftung. Diese hatte ein privates Unternehmen mit dem Patientenbegleitdienst beauftragt. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Sozialstiftung Bamberg betreibt mehrere Kliniken und Zentren für Patienten und Senioren. Das beauftragte Unternehmen, die Service GmbH ist eine Tochter dieser Stiftung. Sie betreibt den Patientenbegleitdienst für diese Stiftung und deren Einrichtung. Hierfür setzt sie eigene Arbeitnehmer ein. Zudem setzt sie auch Arbeitnehmer ein, die von der Stiftung im Rahmen einer Personalgestellung gestellt wurden.

Die Parteien hatten einen Dienstvertrag über den Patientenbegleitdienst geschlossen, der verschiedene Eckpunkte regelte. Hiernach wurden die Leistungen der Service GmbH von deren Mitarbeitern erbracht. Die Service GmbH durfte auch Dritte weiterbeauftragen. Für die Stiftung bestand kein Anspruch auf Ausführung von Aufträgen durch bestimmte Arbeitskräfte. Zudem oblag es der Stiftung, in ihrem eigenen Verfügungsbereich, die notwendigen Dinge und organisatorischen Maßnahmen in die Wege zu leiten. Die Stiftung durfte jederzeit die ordnungsgemäße Durchführung der Vertragsleistung überprüfen. Die Service GmbH haftete nach dem Vertrag für Schäden, die sie verursachte. Die Abrechnung erfolgte auf der Basis von Monatspauschalen.

Zwischen den Parteien wurden zudem im Rahmen von Verfahrensanweisungen zur innerklinischen Patientenbegleitung verschiedene offene Punkte geklärt. Hier ging es z.B. um die Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Transportanordnung und die Zuständigkeit der Durchführungsanforderung für den Patiententransport. Hierdurch wurden die verschiedenen Verantwortungsbereiche im Patientenbegleitdienst voneinander abgegrenzt. Im Kern ging es darum, dass es die Aufgabe der Pflegekräfte der Stiftung war, die reibungslose Patientenübernahme sicherzustellen und den Gesundheitszustand der Patienten während des Transports zu überwachen. Der Transportvorgang selbst oblag den Mitarbeitern der Service GmbH. Die Entscheidung über die Begleitungsart, also ob die Patienten zusätzlich mit einer Pflegekraft begleitet wurden, oblag hiernach dem zuständigen Arzt und der Pflegekraft des abgebenden Bereichs.

Verdeckte Leiharbeit statt Durchführung eines Dienstvertrages nach Ansicht des Personalrats
Der Personalrat der Stiftung sah in dem Einsatz der Mitarbeiter der Service GmbH eine verdeckte Leiharbeit. Er beantragte daher gerichtlich sein Mitbestimmungsrecht in Bezug auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage festzustellen. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass verdeckte Leiharbeit vereinbart war und nicht ein Dienstvertrag. Die verdeckte Leiharbeit führt zu einem Arbeitsverhältnis zum Entleiher, also zur Stiftung. Dies ergäbe sich daraus, dass die Verantwortung und die Organisationsmacht bei der Stiftung geblieben sei. Die Stiftung setze das Personal der Service GmbH im Rahmen ihrer Organisation und nach ihrer Weisungsmacht ein. Hierdurch seien die Mitarbeiter der Service GmbH in den Betrieb der Stiftung eingegliedert.

Weiter trägt der Personalrat vor, dass der Leiter des Patientenbegleitdienstes zwar Weisungen erteilt. Aber er fungiert nur als Sprachrohr, indem er die Weisungen der Stiftung nur weiterleitet. Der Leiter und die Stiftung stünden in so engem Kontakt, dass die Service GmbH nicht mehr ihre Leistung im Rahmen einer eigenen Organisationsverantwortung erbringe.

Daneben kritisiert der Personalrat die Arbeit des Projektteams. Dies wurde zur Verbesserung der Terminierung und Patientenvorbereitung zwischen der Service GmbH und der Stiftung gegründet. Der Leiter des Patientenbegleitdienstes fungiert hier als Schnittstelle. In diesem Rahmen würde der Leiter nur als Team-Sprachrohr tätig werden. Der Personalrat konkretisiert dies durch einzele Beispiele. Es sei hier zu detaillierten Tätigkeitsanweisungen gekommen. So wurde z.B. beschlossen, dass die Mitarbeiter der Service GmbH an Reanimations-Basisschulungen und Erste Hilfe-Kursen teilnehmen sollten. Weiter seien Investitionen gemeinsam festgelegt worden, z.B. für Bettenfahrgeräte.

Zudem würden die Mitarbeiter der Service GmbH und der Stiftung eng zusammenarbeiten. In der Notaufnahme würden sie mündliche Aufträge von Schwestern erhalten. Die Stiftung würde auch für erforderlich gehaltene Materialien zum Infektionsschutz beim Patiententransport zur Verfügung stellen. Zudem erhielten Mitarbeiter der Service GmbH die gleichen Vergünstigungen wie die Mitarbeiter der Stiftung, etwa in der Caféteria, am Wäscheautomaten, beim Parken und beim Jobticket. Auch die Schulungen würden von der Stiftung durchgeführt werden. Schließlich würden die Einweisungen an die Mitarbeiter der Service GmbH durch einen Mitarbeiter in der Stiftung stattfinden.

Nach Ansicht der Stiftung Einsatz im Rahmen eines Dienstvertrags und nicht im Rahmen einer verdeckten Leiharbeit
Die Stiftung wies dies zurück. Sie trug vor, dass sie kein Weisungsrecht hat. Die behaupteten Anweisungen sind allesamt sachbezogen und orientieren sich am Ergebnis. Die Organisationshoheit über den Patientenbegleitdienst und die Personalhoheit über die eingesetzten Mitarbeiter hat allein die Service GmbH. Sollte tatsächlich einmal Einfluss auf die Mitarbeiter der Service GmbH genommen worden sein, wären dies Einzelfälle. Zudem verwies die Stiftung darauf, dass die Service GmbH selbst über einen Betriebsrat verfügt. Dieser ist für die hier gerichtlich begehrte Arbeitszeit zuständig.

Entscheidung: Zurückweisung des Antrags des Personalrats, da Service GmbH per Dienstvertrag und nicht im Rahmen verdeckter Leiharbeit tätig wird

Sowohl die Vorinstanz als auch der BayVGH wiesen den Antrag des Personalrats zurück. Der BayVGH verwies zunächst darauf, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Eingliederung zur Abgrenzung von Werkvertrag und Dienstvertrag auf der einen Seite und zu verdeckter Leiharbeit auf der anderen Seite übertragbar ist. Auch die Kriterien der Eingliederung für die Abgrenzung von Dienstvertrag und verdeckter Leiharbeit sind übertragbar. Es ist daher sowohl auf die ausdrückliche Vereinbarung als auf die tatsächliche Abwicklung abzustellen. Widersprechen sie sich, ist die tatsächliche Durchführung maßgebend. Allerdings sind Einzelvorgänge unerheblich, wenn es sich um untypische Einzelfälle handelt.

Zudem stellte das Gericht klar, dass das arbeitsvertragliche Weisungsrecht nicht mit dem werkvertraglichen Anweisungsrecht verwechselt werden darf. Dies mag im Einzelfall schwierig sein und muss herausgearbeitet werden.

Für einen Dienstvertrag wie im vorliegenden Fall, und damit gegen verdeckte Leiharbeit, spricht zunächst, dass die Service GmbH für verursachte Schäden haften. Unerheblich ist weiterhin, dass die Tätigkeit in den Räumlichkeiten der Stiftung erbracht wird. Das Gleiche gilt für die Zurverfügungstellung technischer Geräte, etwa wie Bettenfahrgeräte, Rollstühle oder Material zum Infektionsschutz. Es ist ebenfalls unerheblich, dass in diesem Bereich Arbeitnehmer der Service GmbH und der Stiftung zusammenarbeiten. Entscheidend ist vielmehr, dass auch die Personalhoheit seitens der Service GmbH ausgeübt wird. Die enge Zusammenarbeit im Rahmen des Projektteams ist damit unschädlich. Diese dient nur der Konkretisierung der vereinbarten Tätigkeit. Derartige Konkretisierungen sieht das Gericht auch als legitim und erforderlich an, da der Vertrag keine genauen Details regelt.

Die durch die Stiftung durchgeführten Reanimations- und Hygieneschulungen fallen zum einen nicht maßgeblich ins Gewicht. Zum anderen sind sie unschädlich, da allein das Anlernen nicht zu der für die Eingliederung notwendigen Personalhoheit führt. Das Gleiche gilt für die Einweisung in die Tätigkeiten durch Mitarbeiter der Stiftung. Hinzu kommt, dass in der Verfahrensanweisung die Vertragsparteien die Teilnahme an entsprechenden Schulungen geregelt hatten. Ebenfalls nicht maßgeblich ins Gewicht fallen die Vergünstigungen, die sowohl Mitarbeitern der Stiftung als auch den Mitarbeitern der Service GmbH gewährt werden.

Zudem fehlt es an der Personalhoheit der Stiftung gegenüber den Mitarbeitern der Service GmbH. Diese ist erforderlich, um verdeckte Leiharbeit anzunehmen und einen Dienstvertrag abzulehnen. Nach dem Vertrag bliebe es der Service GmbH überlassen, die erforderlichen Arbeitnehmer in ausreichender Menge und zu den vereinbarten Zeiten zu beschaffen. Die als arbeitsrechtliche Anweisungen angesehenen Weisungen sah das Gericht als zulässig an. Hierin ging es meist um die Konkretisierung der dienstvertraglich geschuldeten Leistungen. Die kritisierten Anweisungen waren auch im Großen und Ganzen projektbezogen. Diese waren immer auf einen konkreten Fall bezogen. Deshalb ging es nicht darum, wie bei verdeckter Leiharbeit, auf einzelne Mitarbeiter zuzugreifen. Soweit im Bereich der Notaufnahme dies anders gehandhabt wurde, handelt es sich hier um einen untypischen Bereich. Dort muss schnell gehandelt werden, sodass nicht auf das vorgesehene Auftragsverfahren zurückgegriffen werden konnte. Zudem gibt es gerade im Bereich der Notaufnahme die unterschiedlichsten Fälle, die nicht von vornherein geregelt werden können. Weiter hielt das Gericht fest, dass auch in der Notaufnahme die Service GmbH in erheblichem Ausmaß über den Arbeitsablauf mitbestimmte. So trug sie weiterhin die Verantwortung für die Patiententransporte und traf eine Vorauswahl, welche Mitarbeiter wann und wie lange eingesetzt wurden.

Schließlich hatte das Gericht auch nichts gegen die Verfahrensanweisungen. Diese dienten dazu, die Verantwortungsbereiche der Service GmbH und der Stiftung voneinander abzugrenzen. Dies diente der Vermeidung direkter Durchgriffe von Mitarbeitern der Stiftung auf Mitarbeiter der Service GmbH. Auch soweit vereinzelt die Verfahrensanweisungen missachtet wurden, hielt das Gericht fest, dass dies nie ganz ausschließbar sei. Entscheidend war, dass es sich nicht systematisch der Stiftung zurechnen ließ.

Fazit
Als Fazit ist festzuhalten, dass die Rechtsprechung nach wie vor im Großen und Ganzen positiv eingestellt ist. Der BayVGH differenziert hier sachgerecht zwischen projektbezogenen Anweisungen und arbeitsrechtlichen Anweisungen. Er stellt auch die Grundsätze der Abgrenzung von Dienstvertrag/Werkvertrag und verdeckter Leiharbeit auf. Im Folgenden orientiert er sich hieran. Unternehmen, die Fremdpersonal einsetzen, sind daher gut beraten, sich auch an diesen Grundsätzen zu orientieren. In Betracht kommt bei diesen z.B. ihre Abläufe auditieren zu lassen. Im vorliegenden Fall war es zwar um ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats gegangen. Die gleiche Frage beschäftigt jedoch auch den Zoll und Staatsanwaltschaften. Gerade Strafgerichte gehen hier jedoch nicht so sehr auf die Details ein und arbeiten eher hemdsärmliger. Von daher sollte man schon früh seine Abläufe überprüfen, um unliebsamen Überraschungen vorzubeugen.


siehe auch unter: https://protag-law.com/abgrenzung-von-dienstvertrag-und-leiharbeit-bei-auftraggebern-im-oeffentlichen-be-reich-beschluss-des-bayerischen-verwaltungsgerichtshofs-vom-21-05-2019-17-p-17-1115/
Kontaktperson: Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Andorfer hilft Ihnen auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit,  Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, Deutsches und Europäisches Sozialversicherungsrecht sowie Europarecht. Ebenso berät Sie Herr Andorfer bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er berät Sie über die Durchführung Ihrer Tätigkeit, auditiert die Abläufe in Ihrem Betrieb wie bei einer Zollprüfung und hilft Ihnen die Risiken zu reduzieren. Sie erreichen ihn per E-Mail (andorfer@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.

Share by: