Mehr Info zum LSG NRW Urteil – L 8 BA 78/18

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Selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung eines Lkw-Fahrers?

LSG NRW Urteil – L 8 BA 78/18



Sachverhalt: Spricht es gegen eine selbständige Tätigkeit, wenn ein Lkw-Fahrer ein Fahrzeug seines Auftraggebers benutzt?

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die selbständige Tätigkeit eines Lkw-Fahrers und die daraus folgende Versicherungspflicht.

Der Kläger ist ein selbstständiger Landwirt (Viehhaltung). Daneben erbringt er Transportleistungen. Bis 2005 führte der Kläger vorwiegend Viehtransporte mit einem eigenen LKW, danach Fahrertätigkeiten als „Mietfahrer“ für verschiedene Auftraggeber ohne eigenen LKW durch. Seitdem verfügte er nicht mehr über die Erlaubnis für den Güterkraftverkehr. Er meldete aber ein Gewerbe an.

Seit dem Jahr 2009 wurde der Kläger für eine Auftraggeberin, Inhaberin eines Betriebes des Transport- und Logistikgewerbes, unregelmäßig für zumeist wenige Tage als Kraftfahrer selbständig tätig. Über die Zeiträume seiner selbständigen Tätigkeit und einen pauschalen Tagessatz erfolgten mündliche Vereinbarungen.


Neben dieser im vorliegenden Fall streitigen selbständigen Tätigkeit war der Kläger im Zeitraum von März bis Juli 2015 für weitere Auftraggeber tätig.

Nach einer Betriebsprüfung der Auftraggeberin forderte die Deutsche Rentenversicherung, die Beklagte, von ihr die Beiträge für den Kläger nach. In einem Bescheid stellte die Deutsche Rentenversicherung fest, dass die ausgeübte Tätigkeit des Klägers als Lkw-Fahrer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und in dem Beschäftigungsverhältnis Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Der Lkw-Fahrer wurde somit nicht als Selbständiger anerkannt.

Gegen diesen Bescheid legte der Lkw-Fahrer einen Widerspruch ein, der von der Deutschen Rentenversicherung zurückgewiesen wurde. Danach erhob der Lkw-Fahrer die Klage beim Sozialgericht. Nachdem die Klage vom Sozialgericht abgewiesen wurde, legte der Lkw-Fahrer Berufung beim Landessozialgericht ein.


Entscheidung des LSG: Lkw-Fahrer ohne eigenes Fahrzeug sind nicht selbständig

Das LSG kam zu dem Ergebnis, dass der Lkw-Fahrer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterlag. Unter Berücksichtigung der Abgrenzungskriterien ist das LSG zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer bei der Auftraggeberin beschäftigt und nicht selbstständig tätig war. Hierzu nannte das LSG folgende Abgrenzungskriterien:

  • Der Kläger unterlag bei der Durchführung der jeweiligen Transporteinsätze einem weitreichenden Weisungsrecht der Auftraggeberin. So führte der Kläger Transportfahren nach Anweisung durch die Auftraggeberin, wie die bei ihn angestellten Fahrer, durch.
  • Der Kläger war vollumfassend in die Arbeitsorganisation der Auftraggeberin eingegliedert, da er als ihr Erfüllungsgehilfe mit ihren Betriebsmitteln tätig geworden ist.
  • Der Kläger verfügte weder über eine eigene Betriebsstätte hinsichtlich der hier streitigen Transportfahrten noch trug er insbesondere ein Unternehmerrisiko. 
  • Der Kläger nutzte kein eigenes Fahrzeug und setzte folglich auch kein eigenes Kapital für Betriebsmittel ein.


Hierzu stellte das LSG für die Tätigkeit eines selbständigen Lkw-Fahrers die Notwendigkeit der Nutzung eines eigenen Fahrzeuges fest. Transportfahrten setzen regelmäßig und gerade ganz wesentlich das Vorhandensein und die Nutzung eines Transportfahrzeugs voraus. Verfügt ein im Transportgewerbe tätiger Auftragnehmer nicht über ein eigenes Fahrzeug, sondern wird ihm dieses kostenfrei vom Auftraggeber gestellt, spricht dies damit maßgeblich gegen eine selbstständige Tätigkeit.

Ferner spricht das Tätigwerden des Klägers für andere Auftraggeber nicht für eine selbständige Tätigkeit. Gewicht erhält eine Tätigkeit für mehrere Auftraggeber erst, wenn sie in relevantem Umfang oder sogar schwerpunktmäßig stattfindet und sich in der Zusammenschau mit weiteren typischen Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit, wie z.B. einem werbenden Auftreten am Markt für die angebotenen Leistungen, ergibt. Ein Werben für seine Tätigkeit hat der Kläger nicht dargelegt.

Auch die Höhe der vom Kläger gestellten Rechnungen kann die Annahme von Selbstständigkeit nicht begründen.

Schließlich spricht der Umstand, dass der Kläger ein Gewerbe angemeldet hat, gleichfalls nicht für eine selbstständige Tätigkeit, da dieses formale Kriterium für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist.


Fazit: Selbständige Lkw-Fahrer müssen ihre eigenen Fahrzeuge nutzen

Aus dem Urteil des LSG wird ersichtlich, dass für die Abgrenzung einer selbständigen Tätigkeit von der abhängigen Beschäftigung eines Lkw-Fahrers die Betrachtung aller Kriterien notwendig ist. Wenn die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung überwiegen, spricht es gegen eine selbständige Tätigkeit eines Lkw-Fahrers. Außerdem betont das Urteil die Notwendigkeit der Nutzung von eigenen Fahrzeugen eines selbständigen Lkw-Fahrers. Wenn ein selbständiger Lkw-Fahrer über kein eigenes Fahrzeug verfügt, demgegenüber ein Fahrzeug seines Auftraggebers nutzt, spricht es gegen seine Selbständigkeit.


siehe auch unter: https://protag-law.com/selbstaendige-taetigkeit-oder-abhaengige-beschaeftigung-eines-lkw-fahrers-lsg-nrw-urteil-l-8-ba-78-18/

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