More Info zum Urteil des BAG vom 16.12.2020, 5 AZR 22/19

More info zum Urteil des BAG vom 16.12.2020, 5 AZR 22/19

Equal-Pay-Anspruch eines Leiharbeiters erfordert ausreichende Begründung

BAG Urteil vom 16.12.2020, 5 AZR 22/19


Sachverhalt: Reicht für die Ermittlung der Höhe des Equal-Pay-Anspruchs eines Leiharbeiters ein Verweis auf einen branchenüblichen Tariflohn?

Im vorliegenden Fall streiten die Parteien eine Leiharbeiterin und ihr Verleiher, über Differenzvergütung unter dem Gesichtspunkt des Equal Pay, § 8 AÜG.


Die Klägerin ist aufgrund eines befristeten Arbeitsvertrages bei der Beklagten, die gewerblich Arbeitnehmerüberlassung betreibt, als Leiharbeiterin beschäftigt. Sie erhielt einen Stundenlohn von 9,85 Euro. Im Arbeitsvertrag wurde die Anwendung des Tarifvertrages für die Leiharbeit vereinbart, wodurch vom Equal-Pay-Grundsatz (Gleichstellungsgrundsatz) abgewichen wurde.

 

Vom 24. Januar bis zum 28. April 2017 war die Klägerin der E (der ersten Entleiherin) und vom 4. Mai bis zum 31. Juli 2017 der P (der zweiten Entleiherin) als Leiharbeiterin überlassen.

 

Nachdem die Leiharbeiterin erfolglos gleiches Arbeitsentgelt wie vergleichbare Arbeitnehmer des jeweiligen Kunden


  • Für ihre Tätigkeit bei der ersten Entleiherin hätte sie Vergütung nach dem Monatslohntarifvertrag der Textilindustrie Baden-Württemberg erhalten, wenn sie bei ihm eingestellt wäre. Danach ergäben sich rechnerisch Bruttostundenlöhne von 12,24 Euro bzw. 12,58 Euro.
  •  Die zweite Entleiherin sei ein Unternehmen der Elektroindustrie, deren branchenüblicher Tariflohn sich nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg richte. Das tarifliche monatliche Bruttoentgelt einer Anlernkraft im ersten Beschäftigungsjahr entspräche einem Stundenlohn von 15,58 Euro brutto. Dieses stünde ihr als Leiharbeiterin zu.

 

Außerdem vertrat die Leiharbeiterin die Auffassung, eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz sei mit Art. 5 Richtlinie 2008/104/EG über Leiharbeit nicht vereinbar. Ebenso wenig lasse Unionsrecht eine Abweichung vom Gleichstellungsgrundsatz hinsichtlich des Arbeitsentgelts bei befristeten Leiharbeitsverhältnissen zu.

 

Während das Arbeitsgericht die Klage abwies und das LAG die Berufung zurückwies, verfolgte die Leiharbeiterin die Revision beim BAG weiter.


Entscheidung des BAG: Ansprüche auf Equal Pay müssen durch Leiharbeiter substantiiert begründet werden

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Revision der Leiharbeiterin unbegründet ist. Die Vorinstanzen haben zu Recht die Klage abgewiesen. Daher stellte das BAG fest, dass es auf die von der Leiharbeiterin aufgeworfenen unionsrechtlichen Fragen nicht entscheidungserheblich ankommt.

 

Ein Anspruch der Leiharbeiterin auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 8 Abs. 1 AÜG für die Überlassung an die erste Entleiherin ist wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung verfallen. Nach dem Arbeitsvertrag trat die Fälligkeit der Vergütung für April 2017 zum 15. Mai 2017 ein. Dagegen machte die Leiharbeiterin Ansprüche auf Equal Pay erst am 22. August 2017 geltend.

 

Die Frage, ob der Equal-Pay-Anspruch für die Überlassung bei der zweiten Entleiherin der Leiharbeiterin zusteht, war für das BAG nicht entscheidungserheblich. Die Leiharbeiterin hatte nach Ansicht des BAG die Höhe eines solchen – möglichen – Anspruchs nicht substantiiert dargelegt.


Hierzu führte das BAG aus, dass zur Ermittlung der Höhe des Equal-Pay-Anspruchs ein Gesamtvergleich der Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen ist. Hierbei liegt die Darlegungs- und Beweisplicht beim Leiharbeiter. Stützt sich – wie im Streitfall – der Leiharbeiter im Prozess nicht auf eine Auskunft nach § 13 AÜG, muss er zur Darlegung des Anspruchs auf Equal Pay alle für dessen Berechnung erforderlichen Tatsachen vortragen. Dazu gehört vorrangig die Benennung eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers und das diesem vom Entleiher gewährte Arbeitsentgelt. Beruft sich der Leiharbeiter – alternativ – auf ein allgemeines Entgeltschema, hat er nicht nur dessen Inhalt, sondern auch darzulegen, dass ein solches im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand und wie er danach fiktiv einzugruppieren gewesen wäre.

 

Diese Anforderungen hat die Leiharbeiterin nicht vorgetragen. Sie hat sich weder auf eine Auskunft der Verleiherin zum Equal Pay nach § 13 AÜG gestützt, noch für ihren Einsatz vergleichbare Stammarbeitnehmer konkret benannt und zu deren Arbeitsentgelt substantiiert vorgetragen. Die Klägerin hat lediglich ohne nähere Begründung behauptet, die zweite Entleiherin sei „ein Unternehmen der Elektroindustrie“. Deren branchenüblicher Tariflohn richte sich nach den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg. Allein die Zugehörigkeit zur Metall- und Elektroindustrie besagt jedoch noch nicht, dass das entleihende Unternehmen aufgrund rechtlicher Verpflichtung oder tatsächlicher Handhabung vergleichbare Stammarbeitnehmer „nach Tarif“ und nach welchem konkreten Tarifwerk vergüten würde.


Fazit: Die Höhe des Equal-Pay-Anspruchs ist vom Leiharbeiter begründet vorzutragen

Aus dem Urteil des BAG wird deutlich, dass ein Gericht die Frage über den Anspruch eines Leiharbeiters auf Equal Pay erst dann klären kann, wenn der Leiharbeiter die Höhe des Anspruchs begründet vorgetragen hat. Für die Ermittlung der Höhe des Equal-Pay-Anspruchs reicht ein bloßer Verweis auf den branchenüblichen Tariflohn nicht. In diesem Fall muss der Leiharbeiter darlegen, dass ein solcher Tariflohn im Betrieb des Entleihers im Überlassungszeitraum tatsächlich Anwendung fand. Der Leiharbeiter muss für die Berechnung der Höhe des Equal-Pay-Anspruchs einen vergleichbaren Stammarbeitnehmer benennen und sein vom Entleiher gewährtes Arbeitsentgelt vortragen.

 

siehe auch unter: https://protag-law.com/equal-pay-anspruch-eines-leiharbeiters-erfordert-ausreichende-begruendung-bag-urteil-vom-16-12-2020-5-azr-22-19/

Kontaktperson: Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Greulich hilft Ihnen gerne auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und Zeitarbeit, Arbeitsrecht, Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, sowie Europarecht. Darüber hinaus berät Sie Herr Greulich bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie im Falle von Sanktionen durch Behörden (Bußgeldbescheid etc.) und vertritt Sie sowohl gegenüber der Bundesagentur für Arbeit als auch, im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfs, gegenüber Zoll oder Staatsanwaltschaft sowie vor Gerichten. Wenden Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Greulich, wenn Sie sich vor den möglichen Risiken einer nicht rechtskonformen Durchführung Ihrer Tätigkeit absichern wollen. Sie erreichen ihn per E-Mail (greulich@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.



Share by: