231026 Erstattung der Vermittlungsprovision im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers, BAG – 1 AZR 265/22

Erstattung der Vermittlungsprovision im Falle der Kündigung eines Arbeitnehmers, BAG – 1 AZR 265/22


Sachverhalt: Kann ein Arbeitgeber eine Vermittlungsprovision vom Arbeitnehmer zurückverlangen, wenn dieser kündigt?


Im vorliegenden Fall streiten die Parteien über die Erstattung einer Vermittlungsprovision.


Die Beklagte schloss mit dem Kläger Ende März 2021 einen Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage er ab dem 1. Mai 2021 für die Beklagte tätig war. Das Arbeitsverhältnis kam durch Vermittlung eines Personaldienstleisters zustande. Die Beklagte zahlte an ihn eine Vermittlungsprovision. Im Hinblick darauf erhielt der Arbeitsvertrag des Klägers eine besondere Vereinbarung. Dieser war verpflichtet, die Vermittlungsprovision zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis nicht über den 30.06.2022 hinaus fortbesteht und aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen beendet wird.


Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der – vertraglich vereinbarten – sechsmonatigen Probezeit fristgerecht zum 30. Juni 2021. Als Folge behielt der Beklagte von dem für den Monat Juni 2021 abgerechneten Entgelt des Klägers einen Teil ein. Mit seiner Klage hat der Kläger die Zahlung des ausstehenden Nettolohns geltend gemacht. Die Beklagte hat beantragt, die 

Klage abzuweisen. Widerklagend hat sie beantragt, den Kläger zu verurteilen, einen weiteren Betrag zur Abgeltung der Vermittlungsprovision zu zahlen.


Das Arbeitsgericht gab dem Zahlungsantrag des Klägers statt und wies die Widerklage ab. Die Berufung der Beklagten ist insoweit erfolglos geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihre Begehren auf Klageabweisung und Stattgabe der Widerklage weiter.


Entscheidung des BAG: Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, die für ihn gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten


Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten zurecht zurückwies. Der Zahlungsantrag des Klägers ist begründet, während die Widerklage unbegründet ist. Der Beklagten steht gegen den Kläger kein Anspruch auf Erstattung der von ihr an den Personaldienstleister gezahlten Vermittlungsprovision aus dem Arbeitsvertrag zu.


Das BAG führte aus, dass die Vereinbarung über die Zurückzahlung der Vermittlungsprovision eine von der Beklagten vorformulierte Vertragsbedingung darstellt, auf deren Inhalt der Kläger keinen Einfluss nehmen konnte. Die Erstattung der gezahlten Provision ist unwirksam, weil dies den Kläger entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird.


Einschränkung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit


Außerdem wird durch den mit der Zahlungsklausel ausgelösten Bleibedruck die durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete arbeitsplatzbezogene Berufswahlfreiheit des Klägers eingeschränkt. Die Vertragsbedingung beeinträchtigt den Kläger in seinem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG garantierten Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes. Dazu gehört bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners. 


Neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung ist daher auch der Wille des Einzelnen geschützt, die Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben. Diese Freiheit schränkt die Regelung des Arbeitsvertrags ein. Da der Kläger verpflichtet ist, im Fall einer vom ihm selbst veranlassten Kündigung mit Wirkung zu einem vor dem 1. Juli 2022 liegenden Zeitpunkt die von der Beklagten gezahlte Vermittlungsprovision zu erstatten, löst die Regelung einen Bleibedruck aus.


Das finanzielle Risiko liegt beim Arbeitgeber


Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hat grundsätzlich der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung nachträglich nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis während oder nach der Probezeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse eines Arbeitgebers, solche Kosten auf einen Arbeitnehmer zu übertragen, der von seinem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht. 


Zwar hat die Beklagte an sich ein anerkennenswertes Interesse daran, dass ein Arbeitnehmer, für dessen Vermittlung sie einem von ihr beauftragten Personaldienstleister eine vertraglich vereinbarte Provision gezahlt hat, möglichst lange im Unternehmen bleibt und für sie tätig ist. Dieses Interesse kann sie aber nicht durch die Vereinbarung einer Pflicht zur Erstattung von Kosten durchsetzen, die sie selbst für die Vermittlung des Arbeitsverhältnisses aufgewendet hat. 


Wie kann sich der Arbeitgeber vor der frühzeitigen Kündigung eines Arbeitnehmers schützen?


Der Arbeitgeber könnte einen solchen Arbeitnehmer zu einer längeren Betriebstreue anhalten, wenn er im Rahmen des jeweils Zulässigen das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließt, die Kündigungsfrist für solche Kündigungen verlängert oder einen befristeten Arbeitsvertrag abschließt, der nicht nach § 15 Abs. 4 TzBfG der ordentlichen Kündigung unterliegt. Um sicherzustellen, dass ein Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis nicht vertragswidrig beendet, hat er zudem die Möglichkeit, die Zahlung einer Vertragsstrafe zu vereinbaren.


Fazit: Rückerstattung von Vermittlungsprovision ist nicht zulässig, vertragliche Absicherung hingegen schon


Aus dem Urteil wird ersichtlich, dass Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern, für die eine Vermittlungsprovision bezahlt wurde, die aber frühzeitig kündigen, nicht die Erstattung einer gezahlten Vermittlungsprovision verlangen können. Grundsätzlich tragen Arbeitgeber das finanzielle Risiko, wenn ihre „Investition“ sich nicht „lohnen wird“. Nichtdestotrotz können Arbeitgeber sich vor der frühzeitigen Kündigung eines Arbeitnehmers schützen, wenn sie das Recht zur ordentlichen Kündigung ausschließen, die Kündigungsfrist für solche Kündigungen verlängern oder einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen. Eine anwaltliche Beratung kann für Rechtssicherheit sorgen. 

Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Greulich  hilft Ihnen gerne auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen  Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und ZeitarbeitArbeitsrecht Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, sowie Europarecht. Darüber hinaus berät Sie Herr Greulich bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie im Falle von Sanktionen durch Behörden (Bußgeldbescheid etc.) und vertritt Sie sowohl gegenüber der Bundesagentur für Arbeit als auch, im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfs, gegenüber Zoll oder Staatsanwaltschaft sowie vor Gerichten. Wenden Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Greulich, wenn Sie sich vor den möglichen Risiken einer nicht rechtskonformen Durchführung Ihrer Tätigkeit absichern wollen. Sie erreichen ihn per E-Mail (info@protag-law.com) und telefonisch unter 06221 33 863 – 0.


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