230223 Unterrichtung des Betriebsrats über den Einsatz von Fremdpersonal, LAG Baden-Württemberg 4 TaBV 3/21

Unterrichtung des Betriebsrats über den Einsatz von Fremdpersonal, LAG Baden-Württemberg 4 TaBV 3/21


Sachverhalt: Ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat über den Einsatz von Fremdpersonal zu unterrichten?


Im vorliegenden Fall stritten die Beteiligten darüber, ob und in welchem Umfang der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat über Fremdpersonaleinsätze einzelner benannter und konzernverbundener Serviceunternehmen zu unterrichten. 

Der Arbeitgeber betreibt ein Krankenhaus und ist ein Konzernunternehmen. Der Arbeitgeber lässt diverse Arbeiten und Dienstleistungen ausgegliedert durch konzernzugehörige Servicegesellschaften und deren Mitarbeiter im Rahmen von Werkverträgen und Dienstverträgen erbringen.


Der Betriebsrat forderte den Arbeitgeber auf, ihn ordnungsgemäß über den Einsatz von Fremdfirmen und deren Mitarbeitern im Betrieb zu unterrichten, nebst Vorlage von Unterlagen. Der Arbeitgeber gewährte Einblick in die Rahmenverträge. Dies war aber für den Betriebsrat nicht ausreichend. Deswegen forderte er den Arbeitgeber auf, ihn konkret über die Zeitumfänge, Einsatzorte und Arbeitsaufgaben der einzelnen eingesetzten Personen zu unterrichten. 


Da die Beteiligten zu keinem Konsens gelangten, beschloss der Betriebsrat ein Verfahren einzuleiten. Schließlich kam die Sache zum LAG.


Entscheidung des LAG: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Betriebsrat über den Einsatz von Fremdpersonal zu unterrichten


Das LAG kam zu dem Ergebnis, dass dem Betriebsrat zwar ein Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gegen den Arbeitgeber zusteht, jedoch inhaltlich in einem geringeren Umfang als der Betriebsrat beantragt hatte. 


Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Die Prüfung, ob ein Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG besteht, hat zweistufig zu erfolgen. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist. In einem zweiten Schritt ist zu prüfen, ob im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.


Aufgabenbezug des Betriebsrats ergibt sich aus §§ 99, 101 BetrVG


Der Aufgabenbezug ergibt sich in der Regel aus den Rechten des Betriebsrats aus §§ 99101 BetrVG. Wenn der Betriebsrat eine Klärung begehrt, ob freie Mitarbeiter oder im Rahmen von Dienstverträgen oder Werkverträgen tätige Personen möglicherweise betrieblich eingegliedert sind. Wenn wegen Arbeitnehmerüberlassung ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 BetrVG in Betracht kommen könnte, muss ihm eine Überprüfung einer etwaigen Arbeitnehmerüberlassung ermöglicht werden.


Auskunftserteilung über den Fremdpersonaleinsatz ohne Namensnennung


Hierzu ist die Auskunftserteilung über den Umfang der Einsätze des Fremdpersonals, die Einsatzorte und die Arbeitsaufgaben der eingesetzten Personen für die Aufgabenerfüllung erforderlich. Nicht erforderlich ist dagegen eine namentliche Benennung der eingesetzten Personen. Über die „Beschäftigung von Personen“ kann z.B. auch durch die bloße Benennung der Anzahl der beschäftigten Personen unterrichtet werden.


Die zwangsläufige Benennung der Namen von betroffenen Arbeitnehmern wäre nur dann erforderlich, wenn eine Prüfung des Betriebsrats ergeben sollte, dass seiner Ansicht nach bei einem bestimmten Personenkreis eine betriebliche Eingliederung und Weisungsunterworfenheit vorliege. In diesem Fall stünde dem Betriebsrat für die entsprechenden Einstellungen zwar gemäß § 99 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht zu. Dieses Recht setzt aber eine Unterrichtung und ein Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers voraus. Die Initiative hat demnach vom Arbeitgeber auszugehen.


Gegen eine vom Arbeitgeber ohne Zustimmung, Zustimmungsfiktion oder Zustimmungersetzung vorgenomme Einstellung kann sich der Betriebsrat dagegen nur mit einem Antrag nach § 101 BetrVG zur Wehr setzen. Dafür benötigt er jedoch keine Kenntnis über die Namen der eingesetzten Mitarbeiter. Es würde z.B. genügen, wenn der Betriebsrat beantragte, dass der Arbeitgeber die Einstellung der von einem konkret benannten Serviceunternehmen in einer konkreten Abteilung eingesetzten Beschäftigten aufzuheben habe. Voraussetzung wäre lediglich, dass durch die genaue Eingrenzung eindeutig erkennbar und identifizierbar ist, um welche Personen es sich handeln soll.


Vorlage von Rahmenverträgen erfüllt den Auskunftsanspruch nicht


Außerdem kann der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, den Auskunftsanspruch durch Vorlage der Rahmenverträge mit einzelnen Serviceunternehmen bereits erfüllt zu haben. Aus der Einsichtnahme in die Rahmenverträge allein kann der Betriebsrat nämlich nicht beurteilen, ob die Mitarbeitereinsätze durch die Serviceunternehmen tatsächlich bloß im Rahmen von Dienstverträgen oder Werkverträgen erfolgen. Denn über die rechtliche Einordnung des Vertrags zwischen Dritten und dem Arbeitgeber entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge oder Bezeichnung. Der Inhalt der Rechtsbeziehungen ist deshalb sowohl auf der Grundlage der ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien als auch unter Berücksichtigung der praktischen Durchführung des Vertrags zu bestimmen. Ob die praktische Durchführung der Vertragslage entspricht, kann der Betriebsrat nur anhand einer erweiterten Auskunft ermitteln.


Fazit: Der Betriebsrat hat ein weitgehendes Unterrichtungsrecht


Aus dem Beschluss des LAG wird ersichtlich, dass der Betriebsrat vom Arbeitgeber eine Auskunft über den Fremdpersonaleinsatz verlangen kann und damit eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung aufdecken kann. Dafür ist die Benennung der Namen nicht notwendig. Der Arbeitgeber kann beispielsweise aufgefordert werden, eine Auskunft über den Umfang der Einsätze des Fremdpersonals, die Einsatzorte und die Arbeitsaufgaben der eingesetzten Personen für die Aufgabenerfüllung zu erteilen. Um hier am Ende unliebsame Überraschungen für den Arbeitgeber zu vermeiden, empfiehlt es sich, solche Einsätze auditieren zu lassen.


Zu diesen und anderen Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Zögern Sie nicht und nehmen Sie Kontakt auf. Herr Rechtsanwalt Greulich  hilft Ihnen gerne auch bei allen anderen Fragen rund um die Themen  Fremdpersonaleinsatz, insbesondere Recht der Werkverträge und ZeitarbeitArbeitsrecht Arbeits- und Wirtschaftsstrafrecht, sowie Europarecht. Darüber hinaus berät Sie Herr Greulich bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie im Falle von Sanktionen durch Behörden (Bußgeldbescheid etc.) und vertritt Sie sowohl gegenüber der Bundesagentur für Arbeit als auch, im Falle eines strafrechtlichen Vorwurfs, gegenüber Zoll oder Staatsanwaltschaft sowie vor Gerichten. Wenden Sie sich an Herrn Rechtsanwalt Greulich, wenn Sie sich vor den möglichen Risiken einer nicht rechtskonformen Durchführung Ihrer Tätigkeit absichern wollen. Sie erreichen ihn per E-Mail (info@protag-law.com) und telefonisch unter 06221 33 863 – 0.


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