Mehr Infos zum Urteil des LG Frankfurt v. 09.03.20 – 23 Wi KLs 1/18

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Hinterziehung von Sozialabgaben – Paketboten als Selbständige oder Arbeitnehmer
LG Frankfurt Urteil v. 09.03.20 – 23 Wi KLs 1/18

Sachverhalt: Handelt es sich bei Paketboten um tatsächlich Selbständige oder um Arbeitnehmer?
Im vorliegenden Fall beschäftigt sich das LG Frankfurt mit der Frage, ob es sich bei den Austrägern von Briefen und Paketen um tatsächlich Selbständige handelt oder ob lediglich Scheinselbständigkeit vorliegt und damit eine Hinterziehung von Sozialabgaben.

Es handelt sich bei den Angeklagten um die Geschäftsführer einer Brief- und Paketzustellungs-Gesellschaft, welche sich zur Auslieferung mehrerer Auftragnehmer als Subunternehmer („Auftragnehmer“) bedient. Die Staatsanwaltschaft erachtete diese als Arbeitnehmer und nicht als Selbständige. Die Staatsanwaltschaft warf den Angeklagten deshalb vor, Sozialabgaben über einen Zeitraum von fast fünf Jahren und in einer Gesamthöhe von ca. 235.000 € hinterzogen zu haben, § 266a StGB.

Die Beklagten sowie die Auftragnehmer selbst waren hingegen der Ansicht, dass es sich hier nicht um Arbeitnehmer, sondern tatsächlich Selbständige handelt. Eine Hinterziehung von Sozialabgaben verneinten sie.

Entscheidung des LAG: Bei den Austrägern handelt es sich um tatsächlich Selbständige
In seinem Urteil kam das LG Frankfurt zu dem Schluss, dass es sich im konkreten Fall nicht um Arbeitnehmer handelte. Es handelte sich vielmehr um selbständige Paketboten, für die keine Sozialabgaben abgeführt werden mussten. Die Angeklagten waren demnach freizusprechen.

Grundsätze der Abgrenzung zwischen Arbeitnehmer und Selbständigem
Arbeitgeber ist derjenige, dem der Arbeitnehmer nicht selbständige Dienste gegen Entgelt leistet und zu dem er in einem Verhältnis persönlicher Abhängigkeit steht. Besondere Bedeutung kommt hier dem Weisungsrecht und der Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers zu. Eine selbständige Tätigkeit ist hingegen vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand Arbeitnehmer oder Selbständiger ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen.

Im hier vorliegenden Fall holten die Auftragnehmer ihre Sendungen mit ihren eigenen Fahrzeugen und ohne weitere Absprache und Weisung durch die Angeklagten ab. Die Zustellgebiete wurden mit jedem Auftragnehmer individuell vereinbart, Touren konnten sie allerdings frei bestimmen. Die Vergütung erfolgte entsprechend den vertraglichen Regelungen jeweils monatlich aufgrund der Anzahl der ausgelieferten Briefe und Pakete. Nötige Büroarbeiten erledigten sie bei sich zu Hause.

Alle Auftragnehmer sahen sich als selbständig an
Neben diesem objektiven Tatbestand (Arbeitgebereigenschaft) ist weiterhin zu berücksichtigen, ob die Angeklagten vorsätzlich handelten. Diese gingen vorliegend jedoch davon aus, nicht Arbeitgeber der Auftragnehmer zu sein, weshalb auch der subjektive Tatbestand nicht vorliegt. Dabei betonte das Gericht, dass dies für Laien schwer zu beurteilen ist. Im Rahmen der Bestimmtheit von Strafnormen muss man Laien daher auf der subjektiven Seite entgegenkommen.

Fazit: Lieber Vorsicht als Nachsicht
Die Abgrenzung zwischen selbständigem Subunternehmer und weisungsgebundenem Arbeitnehmer ist nicht immer leicht zu ziehen. Dieses Urteil des LG Frankfurt weist erneut auf, wie wichtig eine richtige Einordnung ist. Denn aus dieser Einordnung ergeben sich weitere rechtliche Konsequenzen, welche bei Nichtbeachtung zu hohen Geldstrafen und ggf. sogar Freiheitsstrafen führen können. Bei Unsicherheit oder Zweifeln sollte hier lieber früher als später anwaltlicher Rat eingeholt werden. Wir stehen Ihnen hier gerne zur Verfügung!


siehe auch unter: https://protag-law.com/hinterziehung-von-sozialabgaben-paketboten-als-selbstaendige-oder-arbeitnehmer-lg-frankfurt-urteil-v-09-03-20-23-wi-kls-1-18/
Kontaktperson: Sollten Sie Fragen zu diesem oder anderen rechtlichen Themen haben, zögern Sie nicht Kontakt aufzunehmen. Herr Rechtsanwalt Prochaska berät Sie bei allen Fragen des Wirtschaftsrechts. Als Fachanwalt liegt sein Schwerpunkt insbesondere auf dem Gebiet des Handels- und Gesellschaftsrechts. Er steht Ihnen bei Fragen der Unternehmensgründung, der Unternehmensumwandlung, des Unternehmenskaufs oder der Unternehmensnachfolge ebenso mit Rat und Tat zur Seite wie bei der Ausgestaltung von Gesellschafts- und Geschäftsführerverträgen oder auch bei Streitigkeiten zwischen Gesellschaftern. Ebenso berät Sie Herr Prochaska bei Fragen des Einsatzes von Selbständigen. Er unterstützt Sie hier sowohl in strafrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen als auch in steuerrechtlichen Verfahren. Sie erreichen ihn per E-Mail (prochaska@protag-law.com) und telefonisch unter 0621 391 80 10 – 0.
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