221025 Unwirksamkeit eines im Ausland geschlossenen Leiharbeitsverhältnisses? – BAG Urteil vom 26. April 2022 – 9 AZR 228/21

Unwirksamkeit eines im Ausland geschlossenen Leiharbeitsverhältnisses? – BAG Urteil vom 26. April 2022 – 9 AZR 228/21


Sachverhalt: Wird ein Leiharbeitsverhältnis aus dem Ausland unwirksam, wenn ein Leiharbeiter ohne gültige Erlaubnis einem deutschen Entleiher überlassen wird?


Im vorliegenden Fall befasste sich das BAG mit der Frage über die Unwirksamkeit eines im Ausland geschlossenen Leiharbeitsverhältnisses aufgrund einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland.


Die Klägerin wurde von einer Gesellschaft, die ihren Sitz in Frankreich hat, zum 1. Oktober 2014 als Fachberaterin/Ingenieurin eingestellt. Das Arbeitsverhältnis unterlag kraft Rechtswahl französischem Recht. Vom 1. Oktober 2014 bis zum 30. April 2016 wurde die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin im Betrieb der Beklagten in Karlsruhe als Technikerin/Beraterin eingesetzt. Hierbei verfügte die Arbeitgeberin nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassungnach § 1 AÜG aF. 


Die Klägerin war der Ansicht, sie wurde ohne gültige Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung überlassen und deswegen wurde ihr Arbeitsverhältnis mit ihrer französischen Arbeitgeberin unwirksam. Aus diesem Grund begehrte die Klägerin festzustellen, dass sie zur Beklagten seit dem 1. Oktober 2014 in einem Arbeitsverhältnis steht. Sie verlangte außerdem Differenz-, Überstunden- und Annahmeverzugsvergütung. 


Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, gab das Landesarbeitsgericht der Klage überwiegend statt. Daraufhin legte die Beklagte Revision ein.


Entscheidung des BAG: keine Unwirksamkeit eines Leiharbeitsverhältnisses aus dem Ausland und daher kein Arbeitgeberwechsel


Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Feststellungs- und Zahlungsklage unbegründet ist, weil zwischen den Parteien kein Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.


Die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeiter und Entleiher kraft Gesetzes gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF setzt voraus, dass der zwischen Verleiher und Leiharbeiter geschlossene Leiharbeitsvertrag infolge einer iSv. § 1 AÜG aF unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung nach § 9 Nr. 1 AÜG aF unwirksam ist. Unterliegt das Leiharbeitsverhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union, ordnen weder § 2 Nr. 4 AEntG aF noch das AÜG an, dass § 9 Nr. 1 AÜG aF gegenüber diesem Recht vorrangig gelten soll.


§ 2 Nr. 4 AentG aF regelt zwar, dass die „Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen“ zwischen einem im Ausland ansässigen Arbeitgeber und seinen im Inland beschäftigten Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen zwingend anzuwenden sind. Dies bezieht sich aber auf Rechts- und Verwaltungsvorschriften des nationalen Rechts, die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Leiharbeitern regeln, sowie auf die im Inland geltenden gewerbe-, vermittlungs- und erlaubnisrechtlichen Voraussetzungen der Arbeitnehmerüberlassung.


Das BAG stellte fest, dass § 9 Nr. 1 AÜG aF keine Eingriffsnorm iSv. Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO ist. Daher gewährt das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Leiharbeitern, die von ihren Arbeitgebern aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union ins Inland überlassen werden, keinen Schutz, der über den hinausgeht, der durch § 2 AEntG aF gewährleistet wird. Das öffentliche Interesse an der Einhaltung von § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG aF wird gesichert, indem § 16 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 AÜG aF die Verletzung der Erlaubnispflicht als Ordnungswidrigkeit ahnden.


Fazit: Arbeitgeberwechsel nur für Leiharbeitsverhältnisse, die nach deutschem Recht geschlossen wurden


Aus dem Urteil des BAG wird ersichtlich, dass die Regelung aus § 9 AÜG, nach dem das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und einem Leiharbeiter aufgrund der unerlaubten Arbeitnehmerüberlassung unwirksam ist, nicht für das Leiharbeitsverhältnis aus dem Ausland gilt. Das deutsche Recht kann nicht ein Leiharbeitsverhältnis aus dem Ausland für unwirksam erklären. Selbst wenn ein Leiharbeiter aus dem Ausland ohne gültige Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis einem Entleiher überlassen wird, kann dieser Entleiher nicht nach § 10 AÜG Arbeitgeber werden, da das Leiharbeitsverhältnis nicht nach deutschem Recht geschlossen wurde. In Betracht kommt aber eine Geldbuße wegen illegaler Arbeitnehmerüberlassung. 



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