221026 Verjährungsfrist für die Entlohnung von entsandten Arbeitnehmern, EuGH Urteil - C-219/20

Verjährungsfrist für die Entlohnung von entsandten Arbeitnehmern, EuGH Urteil - C-219/20


Sachverhalt: Ist eine fünfjährige Verjährungsfrist für die Entlohnung von entsandten Arbeitnehmern mit dem Unionsrecht vereinbar?


Im vorliegenden Fall entsandte eine slowakische Gesellschaft Arbeitnehmer nach Österreich. Aufgrund einer am 19. Juni 2016 durchgeführten Kontrolle verhängte die Bezirksverwaltungsbehörde über den Vertreter der slowakischen Gesellschaft eine Geldstrafe in Höhe von 6.600 Euro wegen Nichtzahlung des Mindestlohns Bezug auf vier entsandte Arbeitnehmer. Diese Entscheidung wurde der slowakischen Gesellschaft aber erst am 20. Februar 2020 zugestellt.


Dagegen erhob die slowakische Gesellschaft Beschwerde beim österreichischen Landesverwaltungsgericht.


Die österreichische Regelung (§ 7i Abs. 7 AVRAG, in ihrer auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung) sah eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für die Unterentlohnung von Arbeitnehmern vor. Das Landesverwaltungsgericht hatte Zweifel an der Vereinbarkeit von dieser Regelung mit dem Unionsrecht. Das Gericht war der Ansicht, eine solche Frist sei besonders lang für ein fahrlässig begangenes Bagatelldelikt im Verwaltungsstrafrecht. Es sei daher fraglich, ob sich eine Person angemessen verteidigen könne, insbesondere wenn diese Verteidigung fast fünf Jahre nach den vorgeworfenen Handlungen stattfinde.


Aus diesem Grund setzte das Landesverwaltungsgericht das Verfahren aus und legte dem EuGH eine Frage vor.


Entscheidung des EuGH: Eine fünfjährige Verjährungsfrist für die Entlohnung entsandter Arbeitnehmer ist mit dem Unionsrecht vereinbar


Aus der Umformulierung der Frage durch den EuGH wird ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht wissen wollte, ob Art. 5 der Richtlinie 96/71 in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der EU und im Licht des allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatzes des Rechts auf eine gute Verwaltung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die für Verstöße gegen Verpflichtungen in Bezug auf die Entlohnung entsandter Arbeitnehmer eine Verjährungsfrist von fünf Jahren vorsieht.


Wie aus Art. 5 der Richtlinie 96/71 hervorgeht, hat der Unionsgesetzgeber es den Mitgliedstaaten überlassen, geeignete Sanktionen festzulegen, um u. a. die Durchsetzung der in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung in Bezug auf den Mindestlohn zu gewährleisten.


Richtlinie 96/71 enthält keine Verjährungsregeln


Außerdem enthält die Richtlinie 96/71 keine Verjährungsregeln für die Verhängung von Sanktionen durch die nationalen Behörden im Fall der Nichteinhaltung dieser Richtlinie, insbesondere ihres Art. 3.


Mangels einer einschlägigen unionsrechtlichen Vorschrift sind solche Modalitäten nach dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten Sache ihrer innerstaatlichen Rechtsordnungen.


Des Weiteren kann der grenzüberschreitende Charakter der Entsendung von Arbeitnehmern und der Verfolgung einer solchen Übertretung die Arbeit der zuständigen nationalen Behörden relativ komplex machen und damit die Festsetzung einer Verjährungsfrist rechtfertigen, die hinreichend lang ist, um den zuständigen nationalen Behörden die Verfolgung und Ahndung einer solchen Übertretung zu ermöglichen.


Belege über die Entlohnung müssen mehrere Jahre aufbewahrt werden


Zusätzlich kann von den Dienstleistungserbringern, die Arbeitnehmer in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, vernünftigerweise erwartet werden, dass sie die Belege über die Zahlung der Löhne an diese Arbeitnehmer mehrere Jahre lang aufbewahren.


Hierzu wies der EuGH darauf hin, dass Art. 9 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2014/67 die Mitgliedstaaten ausdrücklich ermächtigt, von den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringern zu verlangen, nach der Entsendung auf Ersuchen der zuständigen Behörden innerhalb einer angemessenen Frist bestimmte Dokumente vorzulegen, darunter die Belege über die Entgeltzahlung.


Es erscheint dem EuGH nicht unangemessen, dass die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistungserbringer aufgrund einer Verjährungsfrist während eines Zeitraums von fünf Jahren die Belege über die Entgeltzahlung aufbewahren und vorlegen müssen.


Fazit: Vorsicht ist besser als Nachsicht


Aus dem Urteil des EuGH wird ersichtlich, dass eine Verjährungsfrist von fünf Jahren für Verstöße gegen Verpflichtungen in Bezug auf die Entlohnung entsandter Arbeitnehmer mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Außerdem ist es angemessen, wenn Dienstleistungserbringer aufgrund der im nationalen Recht festgelegten Verjährungspflicht fünf Jahre lang die Belege über die Entgeltzahlung aufbewahren und vorlegen müssen. Die Dienstleistungserbringer, die ihre Arbeitnehmer in andere EU-Mitgliedstaaten entsenden, sollten vor der Entsendung die Rechtsgrundlagen in diesem Mitgliedstaat kontrollieren. Um Risiken zu vermeiden, empfiehlt es sich hierzu anwaltlichen Rat vorher einzuholen.


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